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14. September 2012 | Dipl.-Met. Johanna Anger

Ein ehemaliger Tropensturm beeinflusst unser Wetter

Die Bodenwetterkarte von heute früh (00 UTC) zeigt ein ausgeprägtes
Tiefdruckgebiet vor der norwegischen Küste mit einem Kerndruck von
970 hPa:

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Dabei handelt es sich um einen ehemaligen Tropischen
Sturm mit dem Namen EX-LESLIE, der heute und morgen in unser
Wettergeschehen eingreifen und vor allem im Norden für eine erste
frühherbstliche Sturmlage sorgen wird.

Entstanden ist der Sturm LESLIE über dem Atlantik auf etwa 15 Grad
nördlicher Breite zwischen der westafrikanischen Küste und den
Kleinen Antillen, wo er am 30.8.2012 das Entwicklungsstadium eines
Tropischen Tiefs erreichte. Auf dem weiteren Weg nach Westen Richtung
Nordamerika verstärkte sich das Tief schnell zu einem Tropischen
Sturm und erreichte schließlich am 6.9.2012 kurzzeitig das Stadium
eines Hurrikans der Kategorie 1 mit mittleren Windgeschwindigkeiten
bis etwa 120 km/h (Stärke 12 der Beaufortskala). Das Festland
Nordamerikas erreichte der Sturm allerdings nicht, sondern zog unter
Abschwächung weiter nach Norden Richtung Neufundland. Dort "reihte"
sich der einstige Hurrikan in die Westwinddrift der nördlichen
Breiten ein und wandelte sich auf seinem weiteren Weg von einer
tropischen Zyklone in ein außertropisches Tief um. Tropische Zyklonen
sind Tiefs, die gegenüber ihrer Umgebung warm sind. Die Temperatur im
Bereich des Tiefs ist recht einheitlich. Außertropische Tiefs mit
Zugbahnen von West nach Ost haben dagegen eine warme Ostflanke mit
Südwind und eine kalte Westflanke mit Nordwind. Auf der
Bodenwetterkarte haben diese Tiefs dann dementsprechend Warmfronten
und Kaltfronten. Die Umwandlung tropischer Stürme, die vom
Westatlantik kommen, findet häufig im Seegebiet östlich von
Neufundland statt, weil dort dann kalte Luft von der Labradorsee her
angesaugt wird.

Derzeit hat sich EX-LESLIE als Sturmtief bereits durch erste
Sturmböen (Stärke 8) an der Nordsee und auf dem Brocken bemerkbar
gemacht. Das dazugehörige Frontensystem wird uns heute und morgen von
Nordwest nach Südost überqueren. Die Wetterwirksamkeit hält sich
allerdings in Grenzen, so dass nur leichter Regen oder einzelne
Schauer zu erwarten sind. Interessanter ist die Windentwicklung
aufgrund der starken Druckgegensätze im Randbereich des Tiefs. Das
Starkwindfeld wird etwa bis an die nördlichen Mittelgebirge reichen.
Dabei bringt der südwestliche, später auf westliche Richtungen
drehende Wind an der Küste sowie in den Hochlagen des Harzes Böen der
Stärke 8 bis 9 Bft, in exponierten Lagen sogar bis 10 Bft. Im
Binnenland erreichen die Windstärken verbreitet 7 Bft, vereinzelt
auch 8 Bft. Im Laufe des Samstags wird das Sturmtief über den Norden
Skandinaviens abziehen, so dass der Wind von Westen allmählich
nachlässt.
Die Mitte und der Süden Deutschlands werden die Auswirkungen von
EX-LESLIE allerdings kaum spüren, hier gestaltet sich der Freitag
unter Zwischenhocheinfluss ruhig und weitgehend freundlich. Am
Samstag wird die Passage der Kaltfront zwar auch in der Südhälfte
dichtere Wolken bringen, es bleibt aber weitgehend trocken.

Das Phänomen, dass ein ehemaliger Hurrikan unter Abschwächung zu
einem außertropischen Sturmtief in die nordatlantische Westdrift
einbezogen wird und dadurch das Wetter in Mitteleuropa beeinflusst,
kann man in unserem Spätsommer beziehungsweise Frühherbst nahezu
jedes Jahr beobachten. Besonders ausgeprägt geschah dies z.B. am 3.
Oktober 1985, als es dem ehemaligen Hurrikan GLORIA gelungen war, bis
auf den Ostatlantik vorzudringen. Durch seine weite Auslenkung nach
Süden wurde auf seiner Vorderseite die warme subtropische Luft von
Südwesten nach Deutschland gepumpt, so dass in weiten Teilen
Süddeutschlands noch einmal hochsommerliche Temperaturen um 30 Grad
gemessen wurden.
Da die Zugbahn von EX-LESLIE viel weiter nördlich verläuft als die
von GLORIA, kommt es nicht zu einem so starken Warmluftvorstoß. So
liegen die Höchstwerte heute und morgen meist zwischen 15 und 19
Grad, mit Hilfe der Sonne sind vor allem am Oberrhein bis zu 21 Grad
möglich.
Da die aktuelle Hurrikansaison auf dem Atlantik noch nicht vorüber
ist, könnten in diesem Spätsommer und Herbst noch weitere ehemalige
Tropenstürme in unser Wettergeschehen eingreifen.




© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD