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22. Juni 2013 | Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

Sommerbeginn - Astronomisch, meteorologisch oder doch phänologisch?

Nachdem ich gestern doch einige Anfragen bezüglich des Sommeranfangs bekam und es wohl einige Unklarheiten bezüglich der unterschiedlichen Definitionen gibt, möchte ich mich heute kurz damit beschäftigen. In diesem Sinne werde ich dann auch gleich noch ein paar zusätzliche bzw. weitergehende Informationen anfügen.

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Der astronomische Sommerbeginn, den wir gestern um 7:04 Uhr in der
Frühe erlebten, richtet sich nach dem Stand der Sonne auf ihrer
Umlaufbahn um die Erde. Gestern Morgen stand die Sonne um 7:04 Uhr an
ihrem nördlichsten Punkt. Den damit erreichten Breitenkreis, der sich
in etwa auf 23 Grad Nord (23°26'16" N) befindet, nennt man auch
nördlicher Wendekreis. Bis zu diesem Wendekreis bewegt sich die Sonne
die gesamte erste Jahreshälfte über täglich ein Stück weiter nach
Norden, was wir durch längere Tage oder auch durch einen höheren
Sonnenstand am Himmel beobachten können. Auf diesem Wendekreis gibt
es genau einen Ort bzw. Punkt, wo die Sonne um 7:04 Uhr
mitteleuropäischer Sommerzeit bzw. an dem besagten Punkt um 12 Uhr
Ortszeit genau senkrecht über der Erde stand. Seit gestern macht sich
die Sonne nun wieder auf den Weg in Richtung Äquator, welchen sie am
22. September um 22:44 Uhr (Herbstanfang) überschreitet. Die Tage
werden nun also wieder kürzer.

Die Meteorologen sind schon seit dem 1. Juni auf Sommer eingestellt.
Dies hat allerdings nur Arbeit vereinfachende Gründe. Für die
Auswertung von Wetter- oder Klimadaten und die Erstellung von
Statistiken ist es, insbesondere im Computerzeitalter, angenehmer und
auch einfacher, volle Monate zu betrachten. Daher wurden die Monate
Juni, Juli und August aus meteorologischer Sicht als Sommer
definiert.

Der phänologische Sommerbeginn richtet sich nach der Natur und deren
Entwicklung. Das "phänologische Jahr" wird grundsätzlich in 10
physiologisch-biologisch begründete "phänologische Jahreszeiten"
eingeteilt, gekennzeichnet durch spezielle phänologische Indikatoren
(Leitphasen). Der Sommer wird dabei nochmals in Frühsommer,
Hochsommer und Spätsommer untergliedert. Mit dem Blühbeginn der
Gräser setzt der Frühsommer ein. Auf den Wiesen blüht zuerst der
Wiesenfuchsschwanz und auf den Getreidefeldern der Winterroggen.
Blühen die Sommer-Linden und die Kartoffeln, dann kommt der
Hochsommer.

Mit dem Wissen der verschiedenen Definitionen stellt sich nun die
Frage, warum der Sommer nicht genau um den Sonnenhöchststand (21.06.)
herum definiert ist, an dem die Sonne den größten Energieeintrag auf
die Nordhalbkugel abstrahlt. In diesem Sinne müssten die Monate Mai,
Juni und Juli den Sommer bilden!?!

Wie oben beschrieben, umfasst der Sommer aus astronomischer Sicht
allerdings denjenigen Zeitraum, in dem sich die Sonne vom nördlichen
Wendepunkt zum Äquator zurückbewegt. Bei den Meteorologen wird auch
nur ein kleiner Zeitraum vor Sonnenhöchststand dem Sommer
zugesprochen. Die Phänologie ist komplett von meteorologischen
Parametern wie Niederschlag, Temperatur und Sonnenstrahlung abhängig
und kann in dieser Diskussion nicht berücksichtigt werden.

Für eine genauere Betrachtung muss man zusätzlich zur
Sonneneinstrahlung auch die Speicherung und den Transport von Energie
betrachten. Die Atmosphäre und erst recht die Ozeane sind
grundsätzlich träge Medien, bei denen alles etwas langsamer abläuft.
Ab Frühlingsbeginn, wenn sich die Sonne über den Äquator hinweg nach
Norden bewegt, können sich die Ozeane und Landflächen auf der
Nordhalbkugel verstärkt erwärmen und somit die einstrahlende
Sonnenenergie aufnehmen bzw. speichern. Da in nördlichen Breiten
(>60°N) durch die Kugelform der Erde der Energieeintrag trotz höherem
Sonnenstand sehr gering bleibt, muss weiterhin Wärme aus Süden nach
Norden transportiert werden. Dies übernehmen bis ca. 30° N
hauptsächlich die Ozeane und deren Strömungen (z. B. Golfstrom).
Oberhalb von 30° N sind unsere wohlbekannten Tiefdruckgebiete für den
Wärmetransport größtenteils verantwortlich. Bis also die maximale
Energie bzw. Wärmemenge in den mittleren bzw. nördlichen Breiten
erreicht wird, vergeht etwas Zeit. Aus diesem Grund können im
Normalfall die maximal möglichen Temperaturen für die mittleren und
nördlichen Breiten, vom Sommeranfang mit Sonnenhöchststand zeitlich
nach hinten verschoben, in den typischen Hochsommermonaten Juli und
August gemessen werden.

Die extreme Hitzeperiode am Anfang dieser Woche war dabei ein
Zusammenspiel zwischen Großwetterlage und Sonneneinstrahlung. Da die
Sonne in diesem Zeitraum fast ihren nördlichsten Punkt erreicht
hatte, lag Mitteleuropa im Zeitraum der größten Einstrahlung. Durch
hohen Druck am Boden und entsprechend vielfach wolkenlosen Himmel
über Deutschland konnten die Sonnenstrahlen das Land gut erhitzen.
Zudem herrschte an der Vorderseite eines Tiefdruckkomplexes über
Westeuropa verbreitet eine südliche Strömung vor, die uns die stark
erhitzte Luft aus Nordafrika über das Mittelmeer direkt nach
Deutschland führte. Die fast maximale Einstrahlung und die stark
erhitze Luft aus Süden führten schließlich zu den für Deutschland
sehr heißen Temperaturen, die gebietsweise neue Junirekorde
aufstellten und eigentlich erst für Juli oder August typisch sind.

In diesem Sinne hoffen wir, dass es nicht die letzte Wärmeperiode in
diesem Jahr war und dass wir uns noch über viele sonnige Tage in
diesem Sommer freuen dürfen.


© Deutscher Wetterdienst