24. Oktober 2013 | M.Sc. Met. Stefan Bach
Föhn
Manch einer mag bei diesem Wort zuerst an einen Haartrockner denken -
und tatsächlich: Bei diesem Bad- und Frisöraccessoire bestehen
gewisse Parallelen zur Meteorologie. Zunächst einmal handelt es sich
bei einem Föhn im meteorologischen Sinne um einen warmen, trockenen
und meist böigen Fallwind. Aufgrund der evidenten Ähnlichkeit wurde
auch die Bezeichnung für die "Heißluftdusche" vom Föhnwind
abgeleitet. Bis zur Rechtschreibreform 1996 wurde das elektrische
Gerät "Föhn", entsprechend dem Markennamen einer bekannten deutschen
Hausgerätefirma mit Sitz in Frankfurt, als "Fön" geschrieben, um es
vom Föhnwind zu unterscheiden.
So, nun aber endgültig zur Meteorologie...
Ursprünglich galt die Bezeichnung Föhn nur für die an den Alpen
auftretenden Fallwinde. Da aber in der Folge auch ähnliche Effekte an
anderen Gebirgen als Föhn bezeichnet wurden, führte man schließlich
die Bezeichnung "Alpenföhn" ein.
Für die Entstehung des Föhns im Allgemeinen und des Alpenföhns im
Speziellen gibt es unterschiedliche Theorien. Hier soll zunächst die
sogenannte thermodynamische Föhntheorie erläutert werden:
Nach dieser ist Voraussetzung für die Entstehung des Föhns auf der
Nordseite der Alpen zunächst eine Luftdruckverteilung, die ein
Überströmen der Alpen von Süden her ermöglicht. Typischerweise
befindet sich hoher Luftdruck südöstlich der Alpen und tiefer
Luftdruck über Westeuropa. Die Natur ist bestrebt, diese
Luftdruckgegensätze auszugleichen und so wird die Luft vom hohen zum
tiefen Luftdruck in Form von Wind über die Alpen hinweg gesaugt.
Dabei wird die Luft, die einen gewissen Feuchtegehalt hat, an der
Südseite (in diesem Fall auf der Luvseite) der Alpen zum Aufsteigen
gezwungen. Dabei kühlt sie sich ab. Das tut sie mit dem sogenannten
trockenadiabatischen Temperaturgradienten, der 10 K/km beträgt (in
diesem Fall entspricht 1 K = 1 °C). Je kälter die Luft wird, desto
weniger Wasserdampf kann sie enthalten. Irgendwann ist die Luft
gesättigt, die Luftfeuchte beträgt also 100 % und es kommt
schließlich zur Kondensation. Oberhalb des Kondensationsniveaus kühlt
sich die Luft immer weiter ab. Das geht nun aber nicht mehr so
schnell vonstatten, sondern nur noch mit etwa 5 bis 6 K/km
(feuchtadiabatischer Temperaturgradient), was daran liegt, dass bei
der Kondensation ständig Wärme frei wird, die der Luft zugeführt
wird. Die Folge der Kondensation sind Wolken, die sich auf der
Luvseite abregnen können. Diese Wolken sind in diesem Fall von Norden
her häufig als Föhnmauer zu sehen.
Irgendwann hat die Luft den Gebirgskamm erreicht und überströmt
diesen. Dabei hat sie durch das Ausregnen im Luv einen Teil ihrer
Feuchte eingebüßt. Jedoch ist sie nicht vollständig frei von
Wasserdampf. Daher kann es sein, dass sich auch nördlich des Kamms
(also im Lee) noch Wolken bilden, wenn auch mit deutlich höherer
Wolkenbasis. Bis zur Wolkenbasis sinkt die Luft unter
feuchtadiabatischer Erwärmung ab, unterhalb dieser dann wieder unter
trockenadiabatischer Erwärmung.
In der Abbildung ist zum einfacheren
Verständnis des nachfolgenden Rechenbeispiels eine Grafik zu finden.
Nehmen wir an, ein fiktives Luftpaket mit einer Temperatur von 10 °C
startet auf der Südseite der Alpen im Zentrum von Bozen (ca. 300
Meter über dem Meer) seine Reise. Dann steigt es mit 10 K/km
trockenadiabatisch auf, bis in einer Höhe von 1500 Metern über dem
Meer (angenommener Wert) die Wolkenbildung einsetzt. Zu diesem
Zeitpunkt hat es eine Temperatur von -2 °C erreicht. Bis zur
Kammhöhe, die hier mit 3000 Metern angenommen wird, kühlt es sich mit
5 K/km feuchtadiabatisch, also um weitere 7,5 K ab. Das Luftpaket hat
also in Höhe des Kammes eine Temperatur von -9,5 °C. Die Wolkenbasis
im Lee liegt fiktiv bei 2800 Metern. Es bleiben also noch 200 Meter
zu beachten, in denen sich die Luft feuchtadiabatisch erwärmt - und
zwar insgesamt um 1 K. Somit wären wir an der Wolkenuntergrenze auf
der Nordseite des Alpenkamms bei -8,5 °C angelangt. Nun macht sicht
das Luftpaket auf den Weg nach Garmisch-Partenkirchen, das auf 700
Metern über dem Meeresspiegel liegt. Dabei erwärmt es sich wieder
trockenadiabatisch und zwar um 21 K. Daraus resultiert eine
Endtemperatur von 12,5 °C. Der Temperaturzuwachs von 2,5 K bzw. °C
erscheint jetzt nicht so groß, jedoch gilt es zu beachten, dass
Garmisch-Partenkirchen ja auch eine größere Ortshöhe hat als Bozen.
Würde man die Luft in ein Tal strömen lassen, das ebenfalls 300
Meter über dem Meer liegt, wäre der Effekt noch deutlicher und die
Luft hätte sich auf 16,5 °C erwärmt.
Ein anderer Ansatz, die Entstehung von Föhn zu erklären, ist die
dynamische Föhntheorie. In dieser spielen die
hydrologisch-hydraulische Analogie der Föhnströmung, die "gap
dynamic" und stehende Wellen eine Rolle. Auf eine Erklärung dieser
soll an dieser Stelle aber verzichtet werden, um nicht noch weiter
ausholen und das Thema des Tages nicht noch länger gestalten zu
müssen.
Theorie hin oder her - kommen wir kurz auf die Auswirkungen des Föhns
im Allgemeinen zu sprechen. Der Wind kann sich nicht nur auf den
Alpengipfeln, sondern auch in den Tälern recht böig zeigen. Das macht
dann in Verbindung mit den warmen Temperaturen (siehe unten) das
"Föhngefühl" perfekt. Tolle Fernsicht, bedingt durch eine aerosolarme
Luft, ist ebenfalls charakteristisch für Föhnlagen. In erster Linie
bekommt man aber häufig die höheren Temperaturen zu spüren:
So lag zwar ganz Deutschland am Dienstag im Einflussbereich einer für
die Jahreszeit warmen Luftmasse, jedoch konnte föhnbedingt an fünf
Messstationen des DWDs sogar ein Sommertag (Temperaturmaximum > 25
°C) beobachtet werden. Im Alpenumfeld waren Wielenbach (25,5 °C) und
Oy-Mittelberg-Petersthal (25,1 °C). Dort sorgte der Alpenföhn
gegenüber der Umgebung für höhere Temperaturen. Nun fehlen aber noch
drei Stationen aus unserem Messnetz:
Bad Mergentheim-Neunkirchen meldete 25,9 °C (nördlich der Hohenloher
Ebene). Einen Sommertag konnten auch Bad Kreuznach (25,4 °C -
nördlich des Pfälzer Berglandes) und Darmstadt (25,3 °C - nördlich
des Odenwaldes) verbuchen. Die letzten drei Beispiele zeigen, dass
Föhn auch im Lee von Mittelgebirgen durchaus wirksam sein kann.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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