11. Dezember 2013 | Dipl.-Met. Jens Hoffmann
Wie war das noch mit winterlichen Hochs?
Es ist noch gar nicht lange her, da wurde an dieser Stelle wiederholt über das lebendige Orkantief XAVER berichtet. Inzwischen hat XAVER seinen wohl verdienten Platz in den Wetterchroniken eingenommen und die Wetterlage hat sich spürbar beruhigt.
Kurzum, der Blick auf die aktuelle Wetterkarte zeigt uns ein überaus üppiges Hochdruckgebiet, das große Teile Südwest- und Westeuropas sowie den gesamten mitteleuropäischen Raum überdeckt.
Hochdruckgebiete im Winter, da war doch was? Interessierte Beobachter
des Wettergeschehens wissen natürlich, dass solche Druckgebilde in
dieser Jahreszeit mit gewissen Charaktereigenschaften gekoppelt sind.
Und diejenigen, die noch nicht so viel darüber wissen, lernen jetzt
vielleicht etwas dazu. Es folgen nun ein paar Faustregeln, die anhand
der aktuellen Situation gewürdigt und kurz diskutiert werden sollen.
Erste Faustregel: Winterliche Hochs bringen nicht durchweg schönes
Wetter im Sinne von sonnig.
Richtig, winterliche Hochs sind sehr häufig echte "Miesepeter", die
am Himmel lieber schnöde Grautöne erscheinen lassen als strahlendes
Blau. Die Ursache dafür liegt in der feuchten Grundschicht, die sich
sehr häufig unterhalb einer so genannten Inversion einstellt
(Inversion Temperaturumkehr, d.h. es wird wärmer mit zunehmender
Höhe), und die mal mehr, mal weniger hunderte von Metern vom Boden in
die Höhe reicht. Kühlt sich die bodennahe Luft nun in den langen
Winternächten ab, kondensiert der Wasserdampf und es bildet sich
entweder Nebel oder an der Untergrenze der Inversion Hochnebel. Beide
gehören sicherlich nicht zu den attraktivsten Parametern, die die
Meteorologie zu bieten hat.
Das Problem dabei: Die tief stehende Sonne hat im Gegensatz zum
Sommer in der Regel nicht genug Power, Nebel und Hochnebel tagsüber
aufzulösen, was oft tagelanges Dauergrau mit gemütsschädigenden
Auswirkungen zur Folge haben kann. Da hilft dann nur die Flucht auf
die Berge. Oder man wohnt hinter dem Berg bzw. dem Gebirge und hofft,
dass der darüber streichende Wind die Hochnebeldecke aufreißen lässt
(sogenannte Leewirkung durch die Gebirge). Funktioniert aber nicht
immer!
Bei der aktuellen Lage gestaltet sich die Angelegenheit so, dass die
feuchte Grundschicht zwar nur wenige hundert Meter mächtig ist. Das
reicht aber dicke, um in weiten Teilen des Landes Tristesse zu
verbreiten. Teilweise hat sich die Inversion allerdings bis in
Bodennähe durchgesetzt (vor allem im Westen und Südwesten), so dass
nicht nur auf den Bergen sondern auch in tiefen Lagen gebietsweise
die Sonne scheint. Eine Garantie, dass das am nächsten Tag auch so
ist, gibt es aber nicht, wie das Beispiel Frankfurt/Offenbach von
Dienstag (sonnig) auf Mittwoch (neblig trüb) zeigt.
Zweite Faustregel: Winterliche Hochs bringen Frost und Kälte.
Nicht immer, aber oft richtig, frei nach dem Motto "keine Regel ohne
Ausnahme".
Häufig ist es so, dass zunächst kalte Polarluft einfließt (z.B. mit
Nordwestströmung), die per se zwar noch nicht so kalt ist, vor Ort
aber kalt gemacht wird ("kalt machen" hier im thermischen Sinne). Die
Sache läuft dabei etwa folgendermaßen ab:
Die Luftmasse strömt ein und kommt danach zur Ruhe, weil der
Luftdruck steigt und sich ein Hochdruckgebiet bildet. In den langen
Nächten wird der Luftmasse dann durch Ausstrahlung deutlich mehr
Energie entzogen, als an den vergleichsweise kurzen Tagen durch die
Sonne zugeführt werden kann. Die Folge ist ein sukzessiver
Temperaturrückgang mit zunehmend tieferen Nacht- und weniger hohen
Tagestemperaturen. Übrigens, je trockener die Luftmasse ist, desto
besser funktioniert der beschriebene Prozess. Zum einen sind die
nächtlichen Ausstrahlungsbedingungen besser, zum anderen ist die
Nebel-/Hochnebelwahrscheinlichkeit geringer (Nebel und Hochnebel
verhindern einen Temperaturrückgang).
Eine andere Möglichkeit, Kälte mit Hilfe von Hochs bei uns zu
produzieren, liegt z.B. dann vor, wenn das Hoch schwerpunktmäßig über
Nordeuropa positioniert ist. Dann stellt sich bei uns eine östliche
bis nordöstliche Strömung ein, mit der kalte Frostluft
herantransportiert wird. Besonders investigative Journalisten
sprechen dann gerne mal von der "Russenpeitsche" (wie im vergangenen
Winter), die mitunter aber auch aus "Samt" sein kann. Voraussetzung
für die Kaltluftzufuhr ist nämlich die Tatsache, dass es im Osten und
Nordosten Europas auch wirklich kalt ist, was meist, aber nicht immer
(besonders im Frühwinter) der Fall ist.
Liegt das Hoch, wie aktuell, schwerpunktmäßig mehr im Süden oder
Südosten Europas, herrscht bei uns eher eine südliche bis westliche
Strömung vor, mit der naturgemäß keine wirkliche Kaltluft zu uns
transportiert wird.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen. Frost und Kälte treten vor allem
in tiefen Lagen und in den Tälern auf, während es auf den Bergen
häufig vergleichsweise mild ist. Der Grund dafür ist die im
vorherigen Abschnitt beschriebene Temperaturinversion. So kann es
durchaus sein, dass der Skifahrer am Morgen unten bei -15 Grad oder
noch weniger in die Gondel ein- und oben bei Werten um den
Gefrierpunkt oder leichten Plusgraden wieder aussteigt.
Nun zur aktuellen Lage, die - was die Kälte angeht - eher die
Ausnahme als die Regel darstellt. Für ein winterliches (wenn auch
eher frühwinterliches) Hoch ist es bei uns relativ mild. Das liegt
vor allem daran, dass am vergangenen Wochenende nicht die o.e.
Polarluft nach Deutschland eingeströmt ist, sondern vielmehr feuchte
und milde Atlantikluft große Teile des Landes geflutet hat. Damit
haben wir eine vergleichsweise milde Vorgeschichte, die nicht ohne
Wirkung auf jetzige Temperaturentwicklung bleibt.
So lagen z.B. die Tiefstwerte der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in
den Gebieten mit klarem Himmel nur im leichten Frostbereich zwischen
0 und -5 Grad. Nur am Alpenrand, wo ja Schnee liegt (Schneeflächen
sorgen für zusätzliche nächtliche Ausstrahlung), ging es lokal bis
auf -8 Grad runter - knackig kalt geht anders. Interessantes Beispiel
zur Temperaturinversion: Während in Freiburg im Oberrheingraben ein
Minimum von -5 Grad gemessen wurde, waren es auf dem nicht weit
entfernten, knapp 1500 m hohen Feldberg im Schwarzwald satte +6 Grad.
Dritte (und für heute letzte) Faustregel: Winterliche Hochs sind
beständig und verschwinden nicht so schnell von der Wetterkarte.
Meist richtig, wenn auch mit gewissen Modifikationen. Wie bereits
erwähnt, sind Hochdruckgebiete auf dem Festland häufig mit kalter
Luft verbunden. Diese Kaltluft ist schwer und träge, d.h. sie kann
nicht so mir nichts, dir nichts weggeräumt werden. Tiefausläufer, die
z.B. vom Atlantik kommen, beißen sich die Zähne daran aus und laufen
quasi wie gegen einen Block (man spricht bei stabilen Hochs
tatsächlich von einer Blockierungslage).
Ist das Hoch - wie im aktuellen Fall bei uns - mal mit weniger kalter
oder gar milder Luft korreliert, kann es trotzdem stabil sein. Das
liegt daran, dass das Hoch bis in höhere Luftschichten reicht (man
spricht dann von einem Höhenhoch oder Höhenrücken), was unter
bestimmen Voraussetzungen, die an dieser Stelle nicht erörtert werden
können, ein Indikator für Stabilität und Ausdauer ist.
Projiziert man diese Aussage auf die Entwicklung der nächsten Tage,
so lässt sich konstatieren, dass das Hoch an den Rändern zwar immer
mal wieder etwas angekratzt wird (am Freitag im äußersten
Norden/Nordosten Deutschlands, am Samstag im äußersten
Westen/Nordwesten). Eine nachhaltige Umstellung ist zunächst aber
noch nicht in Sicht.
Auch wenn es am kommenden Dienstag tatsächlich ein atlantischer
Tiefausläufer schaffen sollte, Deutschland vollständig von West nach
Ost zu überqueren, wie von einigen Computersimulationen berechnet,
bedeutet das noch lange nicht eine Änderung der Großwetterlage. Das
nächste Hoch steht dann nämlich schon ante portas und nimmt
wahrscheinlich die Rolle des Vorgängers ein. Der Meteorologe spricht
dann von einer Regeneration der Hochdrucklage.
Übrigens, bald ist Weihnachten, und auch wenn derzeit noch keine
belastbaren Vorhersagen für das entsprechende Wetter vorliegen, lässt
sich doch mit einem mixum compositum aus der Persistenz der aktuellen
Wetterlage, etwas Spökenkiekerei und einer Prise Bauchgefühl sagen:
Weiße Weihnacht wird schwer...
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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