21. August 2014 | Mag.rer.nat. Michael Tiefgraber
Sonne und Erde im Strahlungsgleichgewicht
Auch wenn es in diesen Tagen aufgrund der häufig starken Bewölkung und der recht bescheidenen Temperaturen hierzulande manch einer gar nicht glauben mag, die Sonne strahlt fortan. Und zwar sozusagen mit der Erde um die Wette, denn Sonne und Erde befinden sich in einem Strahlungsgleichgewicht.
Die Oberflächenstrahlungstemperatur der Sonne beträgt etwa 6000 °C,
die dabei abgesendete Strahlungsleistung liegt in der Größenordnung
von 10 hoch 26 Watt (das ist eine Zahl mit 26 Nullen). (Zum
Vergleich: Ein großes Atomkraftwerk erzeugt eine Leistung von etwa 10
hoch 9 Watt.)
Doch diese gigantische abgestrahlte Energiemenge kommt nicht komplett
bei uns an, denn aus Sicht der Sonne ist die Erde nur ein winziger
Punkt im gesamten Weltall. Und somit erreichen unseren "Blauen
Planeten", bedingt durch den großen Abstand zum Zentralgestirn, wie
man unsere Sonne auch nennt, "nur" etwa 10 hoch 17 Watt. Das sind bei
genauer Berechnung und im Zenit stehender Sonne auf der Oberseite der
Atmosphäre (der Grenze zum Weltall) 1368 Watt pro Quadratmeter. Mit
diesem Wert trifft die Sonnenstrahlung auf die Kreisfläche des
Erdumfangs auf und wird im Allgemeinen als "Solarkonstante"
bezeichnet.
Durch die Erddrehung (Tag/Nacht) trifft im Mittel auf die gesamte
Erdkugel nur ein Viertel von den oben erwähnten 1368 Watt pro
Quadratmeter auf, d.h. die Sonne strahlt also nur mit einem Viertel
der Solarkonstante, also mit 342 Watt pro Quadratmeter in Richtung
Erdoberfläche. Durch die Reflexion der Sonnenstrahlung an Wolken,
Schnee usw. werden dabei jedoch 30 % (mittleres
Rückstrahlungsvermögen/Albedo der Erde) sofort wieder an das Weltall
zurückgeben. Somit dezimiert sich die effektive mittlere Einstrahlung
der Sonne am Erdboden auf 239 Watt pro Quadratmeter. Damit sich die
Erde im Laufe der Zeit nicht immer weiter erwärmt, wird diese Energie
nicht gespeichert, sondern mit demselben Betrag wieder Form von
Wärmestrahlung an das Weltall zurückgegeben. Die von der Sonne
ankommende Einstrahlung steht also im Gleichgewicht mit der
Abstrahlung der Erde an den Kosmos. Bevor dies jedoch geschieht,
sorgt eine Vielzahl an Umwandlungsprozessen für den Antrieb unseres
Klimasystems und ist somit auch für unser Wetter zuständig.
Mittels des Stefan-Boltzmannschen Strahlungsgesetzes lässt sich
anhand der oben genannten 239 Watt pro Quadratmeter die
Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Erde berechnen. Diese liegt
bei -18 °C (vgl. Sonne 6000 °C).
Auf die gleiche Weise lässt sich auch die Strahlungstemperatur
anderer Planeten herleiten. Ein interessantes Beispiel ist der Planet
Venus. Obwohl der Abstand zur Sonne im Vergleich zur Erde deutlich
geringer ist, liegt die Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Venus
bei lediglich -46 °C. Grund dafür ist die extrem hohe Albedo, diese
liegt bei fast 78 %. Als krasser Kontrast dazu beträgt die mittlere
Bodenoberflächentemperatur auf der Venus menschenfeindliche +477 °C.
Dieser große Unterschied zwischen Strahlungsgleichgewichtstemperatur
und Bodenoberflächentemperatur liegt am Treibhauseffekt. Dieser ist
durch die Zusammensetzung der dortigen Atmosphäre sehr stark
ausgeprägt. Denn der Hauptbestandteil ist mit 95 % das auch auf der
Erde viel diskutierte klimarelevante Treibhausgas "Kohlendioxid".
Auch auf der Erde sorgt der natürliche Treibhauseffekt mit seinen
verschiedensten Treibhausgasen für eine Erwärmung. Zum Glück nicht
mit derselben Ausprägung wie auf der Venus. Dennoch ergibt sich eine
Erhöhung der Strahlungsgleichgewichtstemperatur von -18°C um +33 °C,
sodass eine menschenfreundliche mittlere Erdoberflächentemperatur von
+15 °C erreicht wird.
Relativ einfach zeigt sich durch die obigen Erläuterungen, dass die
Strahlungsgleichgewichtstemperatur der Planeten durch die Abstrahlung
der Sonne, den Abstand zu ihr und durch die Albedo der einzelnen
Planeten festgelegt ist. Dagegen steht die Bodenoberflächentemperatur
mittels des Treibhauseffektes in starker Abhängigkeit zur
Zusammensetzung der Atmosphäre des jeweiligen Planeten.
Details zum Treibhauseffekt folgen in einem anderen Thema des Tages.
© Deutscher Wetterdienst
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