15. September 2014 | Dipl.-Met. Helge Tuschy
Jagdsaison auf dem Ostpazifik und Atlantik
In den letzten Tagen und Wochen wurde immer wieder auf die noch laufende Hurrikansaison im Atlantik und Ostpazifik hingewiesen. Dabei wurden die entsprechenden Daten wie Intensität oder Zugbahn der jeweiligen Tropenstürme aufgezeigt. Doch woher stammen diese Daten? Sind dies Schätzungen oder gar Meldungen von Schiffen, die versuchen, den Sturm auf hoher See zu überwinden?
Die Intensitätsabschätzung von Tropenstürmen ist ein hoch komplexes
Verfahren, das sich aus einer Fülle von Daten wie z.B. Radar- und
Satellitendaten zusammensetzt. Alle Verfahren zu beschreiben würde
den Rahmen dieses Beitrags sprengen und daher soll der Fokus auf eine
spezielle Messmethode gelenkt werden, die von den sogenannten
"Hurrikanjägern" durchgeführt werden, im Engl. auch als "hurricane
hunters" bekannt.
Den Hurrikanvorhersagern, wie denjenigen des "National Hurricane
Center" (NHC) in Miami, Florida (USA) stehen zwar, wie oben
angedeutet, eine Fülle von Daten zur Verfügung, doch leider haben die
meisten Messmethoden einen gewissen Grad der Ungenauigkeit.
Direktmessungen aus dem Zentrum eines Tropensturms sind daher von
Nöten, um die Informationen in Rechenmodelle einspeisen oder um die
aktuellen Daten direkt an die Vorhersager weiterleiten zu können.
Hier kommen die Hurrikanjäger ins Spiel. Für die Jäger aus den USA
lautet der eigentliche Name: " 53rd Weather Reconnaissance
Squadron". Die ersten Jäger flogen bereits während des 2.
Weltkrieges in die Zentren von Tropenstürmen und seitdem haben solche
Messflüge an Bedeutung und Wichtigkeit nichts eingebüßt. Alle
Arbeitsplätze, vom Piloten über Meteorologen bis hin zum Navigator,
gehören zur der amerikanischen Luftwaffe "Air Force" und erfordern
auch eine entsprechende militärische Ausbildung.
Das "Jagdgebiet" der nordamerikanischen Hurrikanjäger erstreckt sich
über eine riesige Wasserfläche vom zentralen Atlantik im Osten bis
zur Internationalen Datumsgrenze des Pazifiks im Westen, die in der
Nähe des 180. Längengrads (von der Beringsee und den Aleuten bis
östlich von Neuseeland) zu finden ist.
Sobald sich nun also über dem offenen Meer eine tropische Störung
(eine noch unorganisierte Ansammlung von Gewitterzellen) entwickelt,
fliegt in diese Region ein Flugzeug mit einem Jagdtrupp, wobei
jedoch die weitere Entwicklungsmöglichkeit der Störung entsprechend
positiv aussehen muss, damit solch ein teils sehr langer und
kostspieliger Flug gerechtfertigt werden kann. Dabei gilt es
herauszufinden, ob die Störung bereits eine geschlossene Zirkulation
des Windes (auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn) aufweist
oder nicht. Dies ist deshalb von Interesse, da von diesem Moment an
bei einer bestimmten gemessenen mittleren Windgeschwindigkeit die
Klassifikation einer solchen Störung erfolgt: z.B. in eine "Tropische
Depression" bei mittleren Windgeschwindigkeiten von weniger als 63
km/h oder in einen Tropensturm (63 bis 119 km/h). Die Ausprägung der
Meereswellen (Wellenhöhe, Aussehen der Wellenkämme etc.) gibt einen
Hinweis auf Windgeschwindigkeiten. Zudem werden auch Temperatur- und
Druckmessungen vorgenommen.
Wenn sich nun eine geschlossene Zirkulation ausgebildet hat, wird das
tropische System wiederholt durchflogen, wobei dies in verschiedenen
Mustern erfolgt. Diese Flugmuster sollen so viel wie möglich vom
Tropensturm erfassen (das Zentrum und die Außenbereiche). Während
des Fluges werden ununterbrochen Daten zum NHC übermittelt, die z.B.
in Wettermodelle gespeist werden, damit diese ihre Prognosen
hinsichtlich der weiteren Entwicklung verbessern können. Während
schwächere Tropenstürme in einer relativ niedrigen Höhe durchflogen
werden können, müssen starke Hurrikans (Kategorie 3 oder mehr) in
einer Minimumhöhe von 3 km Höhe durchquert werden. Starke Ab-/und
Aufwinde sorgen dann aber für eine sehr "variable Flughöhe". Mit
Hilfe von sogenannten "Dropsonden" werden vertikale Messungen von
Temperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung, Feuchte und Höhe über
Grund vorgenommen. "Dropsonden" sind spezielle Wetterballone, die
besonders im Zentrum eines Tropensturms zur Ermittlung des tiefsten
Drucks und der stärksten Windgeschwindigkeiten aus dem Flugzeug
geschossen werden. Oder anders ausgedrückt: Die Jäger schießen mit
Sonden auf ihre Beute (Tropenstürme).
Da die Flugzeuge jedoch von Menschen geflogen werden und Treibstoff
benötigen, müssen längere Missionen immer wieder unterbrochen werden.
Dieses Problem wird neuerdings durch unbemannte Flugzeuge der
"National Aeronautics and Space Administration" (NASA), sogenannte
"NASA Global Hawk UASs" überbrückt. Sie können über 30 Stunden hinweg
ununterbrochen bis in eine Höhe von ungefähr 16,5 km über Grund
Messungen vornehmen. Erste Tests dieser sehr teuren Fluggeräte wurden
bereits 2010 durchgeführt und kommen nun regelmäßig zum Zuge (jedoch
vorerst nur über dem Atlantik).
Mithilfe der Messdaten soll vor allem die Vorwarnzeit erhöht werden,
in dem die Vorhersagemodelle mit den zusätzlichen Daten besser
abschätzen können, wann z.B. ein Tropensturm auf eine Küste oder
Inselgruppe treffen wird. Aber auch die Zugbahngenauigkeit soll
erhöht werden, denn man kann sich sicherlich vorstellen, dass die
Evakuierung eines ganzen Küstenabschnitts Millionenkosten verursacht,
was bei unvorhergesehenen Zugbahnänderungen zu einer sehr teuren
Fehlvorhersage werden kann.
Wie gefährlich die Arbeit auch für die Hurrikanjäger sein kann,
zeigte ein Absturz am 26. September 1955, als ein Flugzeug in den
Hurrikan "Janet" flog und südlich von Jamaika in der Karibik vom
Radar verschwand. Im Westpazifik gingen zwischen 1944 und 1974
gleich drei Maschinen in Taifunen (dasselbe meteorologische Phänomen
u.a. über dem Nordwestpazifik entsprechend eines Hurrikans über dem
Atlantik) verloren, wobei dort die Mess- und Beobachtungsflüge im
Jahr 1987 eingestellt wurden.
Gestern Nacht wurden im Hurrikan ODILE (Ostpazifik) und im Hurrikan
EDOUARD (Nordatlantik) Messflüge unternommen, die folgende Daten
lieferten: ODILE mit einem Kerndruck von 923 hPa und Bodenwinden von
rund 170 km/h, EDOUARD mit einem Kerndruck von 969 hPa und
Windgeschwindigkeiten von 130 km/h. ODILE ging heute um 6.45 Uhr
deutscher Lokalzeit in Niederkalifornien (Mexiko) an Land, wobei die
Station "Cabo San Lucas" einen anhaltenden Wind von 144 km/h und Böen
bis 187 km/h meldete (Daten: NHC). EDOUARD verstärkt sich indes auf
offenem Meer weiter, bedroht aber noch kein Land.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: United States Air Force
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