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14. November 2014 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

NURI bringt den USA Winterwetter

Fans kalter und schneereicher Witterung hierzulande werden zurzeit neidvoll gen Westen über den Atlantik hinweg nach Nordamerika blicken.

Während sich in weiten Teilen Europas bis auf Weiteres noch keine winterlichen Verhältnisse einstellen wollen, ereignete sich über dem nordamerikanischen Kontinent in dieser Woche der erste markante Wintereinbruch. Verbreitet stehen dort derzeit eisige Temperaturen und stellenweise kräftige Schneefälle auf der Tagesordnung - und werden es auch noch einige Zeit bleiben.


Am Montag (10.11.) machte sich eine Kaltfront, von Kanada her
kommend, auf, um sich mit einem sprichwörtlichen "Affenzahn" zwischen
den Rocky Mountains und dem Mittleren Westen südwärts
durchzuschlagen. Nachdem sie schließlich auch die westlichen
Südstaaten überquert hatte, erreichte sie am vergangenen Mittwoch
(12.11.) die Golfküste. Die Kaltfront trat nicht wirklich wetteraktiv
in Erscheinung, was heißen soll, dass es nicht zu signifikanten
Begleiterscheinungen wie kräftigen Niederschlag kam. Nichtsdestotrotz
sorgte sie an den Orten, über die sie hinweg gezogen war, für einen
plötzlichen Windsprung von südlichen auf nördliche Richtungen und
einen rasanten Temperatursturz. Nicht selten konnte man binnen
weniger Stunden einen Temperaturrückgang von mehr als 30 Grad Kelvin
(Einheit für Temperaturdifferenzen) beobachten.

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In Amarillo/Texas wurde am Montag (15 Uhr Ortszeit) beispielsweise
noch eine Temperatur von +28 Grad Celsius gemessen, nur neun Stunden
später waren es -2 Grad Celsius. Dies entspricht einem Rückgang von
30 Grad Kelvin - vom Sommer in den Winter innerhalb kürzester Zeit.
Mit Ausnahme der Gebiete nahe der Golf- und Ostküste sowie des
Südwestens herrscht in ganz Nordamerika Dauerfrost. Im Norden der
Great Plains und Rocky Mountains ist es besonders eisig kalt
geworden. Dort liegen die Höchsttemperaturen meist zwischen -10 und
-20 Grad, in den Nächten sinkt das Quecksilber teilweise sogar auf
Werte unter -30 Grad. So zum Beispiel in Casper/Wyoming, wo sich die
Luft bis zum Donnerstagmorgen (Ortszeit) auf -33 Grad abkühlte.

Es stellt sich nun die Frage, wieso es in den Vereinigten Staaten zu
einem derart heftigen Kaltluftausbruch kommen konnte. Die
Initialzündung für den ersten markanten Wintereinbruch der Saison gab
letztendlich Taifun NURI, der Ende Oktober und Anfang November mit
enormer Intensität den Pazifischen Ozean aufwühlte. Auf seinem Weg
nordwärts schwächte sich NURI zunächst ab und wandelte sich zu einem
außertropischen Tiefdruckgebiet um. Just nach der Interaktion mit der
über dem Nordpazifik zu dieser Zeit besonders stark ausgeprägten
Polarfront (siehe Thema des Tages vom 13.11.14) bekam NURI einen
neuen, kräftigen Entwicklungsschub. Dabei sank am 8. November der
Bodendruck in Kernnähe auf bemerkenswerte 920 hPa - Rekord! Seit
Aufzeichnungsbeginn wurde von einem außertropischen Tiefdruckgebiet
über dem Nordpazifik noch nie ein solch niedriger Kernluftdruck
erreicht. An seiner Ostflanke führte NURI viel Warmluft vom
Nordpazifik über Alaska und Westkanada nach Norden, wodurch dort ein
hochreichendes Hochdruckgebiet gestützt werden konnte. An der
Ostflanke dieses sich verstärkenden Hochdruckgebietes stellte sich in
der Folge wiederum eine kräftige nördliche Strömung ein, sodass
Arktikluft angezapft und über das zentrale Kanada und weite Teile der
Vereinigten Staaten auf direktem Weg südwärts geführt werden konnte.
Wieder einmal sorgte also ein ehemaliger Wirbelsturm als
außertropisches Tiefdruckgebiet für eine maßgebliche Veränderung der
großräumigen Strömungskonfiguration und damit für eine Umstellung der
Wetterlage.


Die charakteristischen orografischen Eigenschaften des
nordamerikanischen Kontinents begünstigen zudem den weit nach Süden
ausgreifenden Kaltluftvorstoß. Im Gegensatz zu den auf dem
europäischen Kontinent West-Ost ausgerichteten Alpen fehlen über
Nordamerika solche natürlichen Hindernisse für eine Nordströmung. Die
sich Nord-Süd erstreckenden Rocky Mountains stellen für einen
südwärts gerichteten Kaltluftvorstoß keinerlei Hürde dar.

Nach kurzzeitiger Entspannung deutet sich für die nächste Woche ein
neuerlicher Kaltluftausbruch an, der dann allerdings auch verstärkt
die östlichen Landesteile südlich und östlich der Großen Seen
erfassen könnte.


© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD