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19. Dezember 2014 | M.Sc. Met. Stefan Bach

Die Asymmetrie des Sonnenauf- und -untergangs

Der kürzeste Tag des Jahres fällt in Deutschland auf den Tag der Wintersonnenwende, das heißt den 21. oder 22. Dezember, während der längste Tag auf die Sommersonnenwende, also für gewöhnlich den 21. Juni, fällt.

Würden wir im Norden Skandinaviens leben, würde uns das gar nicht auffallen, denn dort gibt es in bestimmten Jahresabschnitten Polarnacht und Polartag, in denen die Sonne nie auf- bzw. untergeht. In Deutschland hingegen liegt die astronomisch mögliche Sonnenscheindauer am 21. Dezember zwischen 7,2 Stunden an der dänischen Grenze und 8,5 Stunden im äußersten Süden. Eine Orientierung, wie lang die Sonne bei Ihnen zum Winteranfang (astronomisch möglich) scheinen kann, erhalten Sie in der nebenstehenden


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Auch wenn es noch ein bisschen hin ist bis zum astronomischen
Winteranfang, der in diesem Jahr auf den 22. Dezember um 00:03 Uhr
MEZ fällt, ist dem aufmerksamen Beobachter vielleicht aufgefallen,
dass der zeitigste Sonnenuntergang bereits um die Mitte des Monats
lag. Auf der anderen Seite tritt der späteste Sonnenaufgang auch erst
einige Tage nach der Wintersonnenwende ein, beispielsweise in
Norddeutschland am 29. Dezember, im Süden sogar noch später. Der
zeitliche Abstand zwischen Wintersonnenwende und dem frühesten
Sonnenuntergang bzw. dem spätesten Sonnenaufgang hängt also
zusätzlich auch noch von der geografischen Breite ab, auf der man
sich befindet.
Ein interessanter Effekt des Ganzen ist, dass der Zuwachs an
Tageslichtlänge bis Anfang Februar in erster Linie abends geschieht.
Danach nimmt die Tageslichtlänge vor allem morgens zu.

Eine analoge Asymmetrie zu oben Genanntem gibt es auch um die
Sommersonnenwende herum. Woher kommt aber diese Asymmetrie, deren
Effekt von Süd nach Nord abnimmt?


Die Erklärung liegt darin, dass die scheinbare Bewegung der Sonne
über den Himmel nicht mit gleichmäßiger Geschwindigkeit geschieht.
Das hat zwei Ursachen: Johannes Kepler (1571-1630) entdeckte, dass
sich die Planeten auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen. Das
trifft natürlich auch auf unsere Erde zu. Die Sonne steht in einem
der beiden Brennpunkte der Ellipse, wobei die Erde in Sonnennähe eine
größere Bahngeschwindigkeit hat. Die zweite Ursache ist die gegenüber
der Bahnebene geneigte Erdachse.

Wenn man nun jeden Tag zur selben Zeit die Position der Sonne
beobachtet (also beispielsweise fotografiert), wird man zunächst
vermuten, dass die Sonne zur gegebenen Zeit immer in der gleichen
Himmelsrichtung steht - lediglich nur höher am Horizont im Sommer und
niedriger im Winter (die Jahreszeiten entstehen übrigens auch durch
die um 23,44 Grad geneigte Erdachse). Schaut man aber ganz genau hin,
so stellt man fest, dass auch die Himmelsrichtung ein wenig variiert.
Legt man alle Fotos in einem Bildbearbeitungsprogramm übereinander,
so erhält man das sogenannte Analemma, welches alle Sonnenbilder in
Form einer lang gestreckten Acht verbindet.

Bestimmt man die Zeit mit einer Sonnenuhr, so tut man dies über den
Schattenwurf eines Stabes auf eine Skala. Diese Zeit wird Sonnenzeit
genannt. Wenn die Sonne genau im Süden steht, sollte die wahre
Sonnenzeit genau 12 Uhr sein, sofern die Sonnenuhr richtig
ausgerichtet ist. Wenn man nun an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit
einer exakten (mechanischen) Uhr die Zeit bestimmt, zu der die Sonne
genau im Süden steht (ein sogenannter wahrer Sonnentag), so wird man
feststellen, dass dieser Zeitraum in der Regel leicht von den
bekannten 24 Stunden abweicht. Gemittelt über ein Jahr erhält man
aber eben diese 24 Stunden, welche mittlere Sonnenzeit genannt
werden. Diese Abweichung zwischen wahrer und mittlerer Sonnenzeit
basiert ebenfalls auf der ungleichmäßigen scheinbaren Bewegung der
Sonne über den Himmel und beträgt von einem Tag zum nächsten zwischen
wenigen Sekunden und knapp einer halben Minute. Im Laufe der Zeit
summieren sich diese Sekunden auf und werden nach einigen Wochen zu
mehreren Minuten, bevor sich das Vorzeichen bei der Aufaddierung
umdreht, die Minuten also subtrahiert werden. Die Sonne läuft im
November scheinbar eine gute Viertelstunde voraus, während sie im
Januar und Februar eine knappe Viertelstunde zurückliegt. Im Dezember
geschieht der Übergang von einer "frühen" in eine "späte" Sonne. Das
führt dazu, dass sowohl Sonnenauf- als auch -untergang vor der
Wintersonnenwende am 21. Dezember ein wenig zeitiger stattfinden, als
es über die mittlere Sonnenzeit geschehen würde, was uns wieder zur
Asymmetrie des Sonnenauf- und -untergangs führt.

In der heutigen technisierten Gesellschaft richtet man sich nicht
mehr direkt an der Sonne aus. Das wäre auch gar nicht möglich, denn
sonst würde es große Probleme, beispielsweise bei der Einhaltung von
Zugfahrplänen, geben. Im Jahre 1884 einigte man sich darauf, die auf
dem durch das englische Greenwich verlaufenen Meridian gültige Zeit
als Weltzeit zu nehmen. Die Welt wurde so geteilt, dass alle 15
Längengrade, die man von Greenwich nach Osten bzw. Westen fährt, zur
Greenwich-Zeit eine Stunde addiert bzw. subtrahiert wird. Die in
Greenwich gültige Zeit wird heutzutage auch Universal Time
Coordinated (kurz: UTC) genannt. Diese beinhaltet auch sogenannte
Schaltsekunden, die eine Kopplung an den astronomischen Tag
vornehmen, da der Schalttag, der alle vier Jahre am 29. Februar
stattfindet, nicht genau die Abweichung bei der Dauer eines Jahres
kompensieren kann. Die letzte Schaltsekunde wurde in der Nacht zum 1.
Juli 2012 nach 23:59:59 Uhr UTC eingefügt.

Die Angabe von Zeiten in UTC ist übrigens auch in der Meteorologie
sehr nützlich, da man so einheitlich zu den synoptischen
Hauptterminen um 00, 06, 12 und 18 Uhr UTC unabhängig von der
jeweiligen Ortszeit ein Abbild des Zustands der gesamten
Erdatmosphäre erhält.


© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD