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20. März 2015 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

Die vorgegaukelte Nacht

Heute ist der Tag der Sonnenfinsternis. Wie es zu der vorübergehenden "Verfinsterung" der Sonne kommt und wo man die sich verdunkelnde Sonne beobachten kann, wurde in den vergangenen Tagen über die verschiedenen Kanäle des Deutschen Wetterdienstes hinreichend erläutert.

Das heutige Thema des Tages möchte hingegen auf die vielfältigen Auswirkungen einer Sonnenfinsternis auf die Menschheit sowie Tier- und Pflanzenwelt eingehen.


Wenn sich der Mond dem Sonnenlicht in den Weg stellt, wird es
wortwörtlich dunkel. Hauptsächlich gestreutes (sozusagen indirektes)
diffuses Sonnenlicht sorgt aber auch bei einer totalen
Sonnenfinsternis noch für eine gewisse Helligkeit und mitunter für
ungewohnte Himmelsfarben. Bei einer totalen Sonnenfinsternis geht die
sogenannte Beleuchtungsstärke nichtsdestotrotz auf etwa 1/10.000 bis
1/100.000 der normalen Sonnenscheinhelligkeit zurück. Das schwindende
Sonnenlicht resultiert schließlich in Änderungen meteorologischer
Bedingungen. So geht beispielsweise die Temperatur zurück (sofern
keine wärmeren Luftmassen herangeführt werden). Auch lokale
Windverhältnisse ändern sich zum Teil spürbar. So werden insbesondere
kurz vor und kurz nach einer totalen Sonnenfinsternis oft Windböen
beobachtet. Die vorübergehende, böige Windzunahme wird auch als
"Finsterniswind" bezeichnet. Dass eine solche "abnormale" Verdunklung
gepaart mit den Veränderungen meteorologischer Bedingungen nicht
spurlos an Mensch, Tier und Pflanze vorbei geht, liegt auf der Hand.
Bei einer partiellen Sonnenfinsternis, wie heute in Deutschland, sind
die Auswirkungen allerdings ungleich geringer.

Helligkeitsänderung während einer Sonnenfinsternis
Helligkeitsänderung während einer Sonnenfinsternis


Im Gegensatz zur Menschheit "kennt" die Tier- und Pflanzenwelt eine
Sonnenfinsternis aufgrund der lokal betrachteten Seltenheit in der
Regel nicht. Das soll heißen, wenn es während der Sonnenfinsternis
fast zur Nacht wird, glauben die Tiere und Pflanzen, es würde
tatsächlich Nacht werden. Für die Menschen in besonderem Maße
wahrnehmbar ist beispielsweise das plötzliche Verstummen vieler Vögel
oder das Schließen von Pflanzenblüten. Darüber hinaus kann es
vorkommen, dass eigentlich nachtaktive Tiere ihr Nachtquartier
verlassen (Nilpferde recken wie auf Kommando ihre Köpfe aus dem
Wasser, Fledermäuse fliegen umher ...), während tagaktive Tiere "zu
Bett" gehen (Schmetterlinge falten ihre Flügel zusammen und setzen
sich zur Ruhe, Hühner laufen in den Stall, Bienen kehren in ihren
Stock zurück). Wenn es nun nach dieser "vorgegaukelten" Nacht
plötzlich wieder hell wird, ist die Verwirrung besonders in der
Tierwelt enorm. Die Sonnenfinsternis ist für die Tiere nämlich
außergewöhnlich und steht im Konflikt mit der inneren biologischen
Uhr. Eine Rückkehr zum ursprünglichen Tagesablauf ist häufig
undenkbar.

Der Mensch kann die Sonnenfinsternis zwar erklären, verstehen und
vorhersagen, wodurch sie nicht "aus heiterem Himmel kommt".
Allerdings kann auch er sich nicht vollends den mit der Finsternis
verbundenen Erscheinungen entziehen. Abgesehen davon, dass auch in
jedem von uns eine innere biologische Uhr tickt, die nicht grenzenlos
ausgetrickst werden kann, sorgt das Naturschauspiel bei einigen für
eine mitunter überwältigende emotionale Berührung. Ob sich diese
Emotionalität in einem extrovertierten "Ah! Oh!" oder doch eher in
introvertiertem Schweigen äußerst, ist selbstverständlich eine
Charakterfrage.

Der sorgenvolle Blick der Betreiber des deutschen
Stromübertragungsnetzes beim Gedanken an die Sonnenfinsternis ist
dagegen weniger eine Charakterfrage, als ein Ausdruck des Wunsches
nach stetiger Netzstabilität. Grund ist der zuletzt stark
angestiegene Anteil der Solarenergie an der gesamten
Energieproduktion bzw. -einspeisung. Selbst die heutige, nur partiell
daher kommende Sonnenfinsternis kann demnach unter Umständen für
enorme Leistungsschwankungen in den Stromnetzen sorgen. Die Betreiber
sprechen hier nicht ohne Grund von einem echten "Stresstest für das
Stromnetz". Die Schwankungen sind vor allem bei geringer Bewölkung
teils mehr als dreimal so hoch wie bei einem Sonnenauf- und
-untergang. Bei überwiegend bedecktem Himmel sind die Schwankungen
dagegen unproblematisch. Dies zeigt nochmals die Bedeutung einer
verlässlichen Vorhersage des Bedeckungsgrades der Bewölkung.

Allen anderen wünscht der Autor dieses Artikels viel Spaß beim
"Sofi-gucken" und vor allem einen nachfolgenden, interessanten
Erfahrungsaustausch.


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