19. April 2015 | M.Sc. Met. Stefan Bach
Radfahrerwetter, Teil 1
Ich muss Sie leider enttäuschen, liebe Leser: Der Deutsche Wetterdienst gibt keine Wetterprognosen speziell für Radfahrer heraus. Die richtige Wahl der Kleidung müssen immer noch Sie treffen - gerade bei den derzeitigen Witterungsverhältnissen empfiehlt sich aber das Zwiebelprinzip.
Schönes #Wetter heute, rauf auf's #Fahrrad! @BiciCultureClub pic.twitter.com/reywTy86Jo
— NH Hotels Germany (@nhhotelsde) 6. April 2015
In den meisten Gebieten Deutschlands kann man das ganze Jahr über mit
dem Fahrrad fahren, nur sind manche Wetterverhältnisse
herausfordernder als andere. Die Wetterbedingungen haben nicht nur
Auswirkungen darauf, wie wir uns kleiden und wie vorsichtig wir
fahren, sondern sie bestimmen auch, wie schnell wir vorankommen und
wie sehr wir uns dabei anstrengen müssen. An dieser Stelle denkt man
sicherlich in erster Linie an den Wind, der je nach Richtung uns mal
schiebt, mal abbremst. Aber auch Temperatur und Luftfeuchte haben
einen gewissen Einfluss auf unseren Kalorienverbrauch.
Zunächst einmal wird dieser bei kalten Temperaturen erhöht, wenn man
das Fahrrad aus dem "warmen" Keller holt und losfährt. Denn mit der
Zeit kühlt sich auch die in den Schläuchen vorhandene Luft erstmal
ab. Das hat zur Folge, dass sie sich zusammenzieht und der Reifen
platter wird (bis die Reibung am Straßenbelag wieder für eine
Erwärmung sorgt). Dadurch ist die Auflagefläche und somit die Reibung
größer - um die Geschwindigkeit zu halten, muss mehr Arbeit
verrichtet werden. Jedoch gibt es nicht nur bei den Reifen mehr
Reibung, sondern allgemein ist diese bei sich bewegenden Körpern in
kalter Luft größer als in warmer. Dazu muss man ein wenig in die Welt
der Physik abschweifen, wobei in diesem Teil angenommen wird, dass
die Luft trocken ist:
Die Kraft, die man benötigt, um beim Fahren die umgebende Luft zu
verdrängen, ist abhängig von deren sogenannter dynamischer
Viskosität. In erster Linie hängt die Variabilität der dynamischen
Viskosität im Laufe eines Jahres von den Änderungen der Luftdichte
ab. Die Dichte wird wiederum hauptsächlich - unter Annahme konstant
trockener Luft - durch den Luftdruck und die Temperatur bestimmt.
Dabei gilt: je höher der Luftdruck und je kälter die Luft, desto
höher die Luftdichte. Während zwischen Sommer und Winter doch recht
markante Temperaturunterschiede ausgemacht werden können, bleibt der
Luftdruck über das Jahr gemittelt recht konstant. Lediglich die
Spannbreite des Luftdrucks ist im Winter größer als im Sommer,
gemessen am Einfluss der Temperatur ist sie aber vernachlässigbar.
Die dynamische Viskosität der Luft bei verschiedenen Temperaturen
kann entweder aus Tabellen abgelesen oder berechnet werden. In
unserem Fall jedoch, wo sie nur von der Dichte abhängen soll, kann
eine einfache Gleichung angewendet werden.
Diese wird Zustandsgleichung für ideale Gase genannt und lautet rho =
p/(T·R) oder in Worten Dichte = Druck/(Temperatur · Gaskonstante).
Die "Konstante" R hängt vom Wasserdampfgehalt ab, an dieser Stelle
sei aber von trockener Luft ausgegangen. Bei Annahme konstanter
Druckverhältnisse hängt die Dichte also nur über das Verhältnis 1/T
von der Temperatur ab.
Wenn also T von 283 auf 273 Kelvin (entsprechend ca. 10 auf 0 °C)
fällt, steigt die Luftdichte und damit auch der Widerstand um zirka
3,5 %. Dieser Wert kann als ungefährer Faustwert für jeden "Sprung"
um 10 Kelvin in einem fahrradfahrtauglichen Temperaturintervall
genommen werden. Der Unterschied des Widerstandes zwischen
hochsommerlichen 30 °C und winterlichen 0 °C beträgt bei gleicher
Geschwindigkeit dann immerhin knapp 10 %. Da aber die
Widerstandskraft mit dem Quadrat, die Antriebsleistung sogar mit der
dritten Potenz der Geschwindigkeit relativ zum Wind steigt, können
diese 10 % ganz unterschiedlich ausgeglichen werden. Zum einen kann
man die Geschwindigkeit halten und muss entsprechend mit 10 % mehr
Watt in die Pedale treten oder man reduziert seine Geschwindigkeit.
In letzterem Falle aber nicht um 10 %, sondern weniger, weil die
Widerstandskraft infolge der geringeren Geschwindigkeit ebenfalls
sinkt.
Der Effekt der Temperatur hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf
Radfahrer. Auch Autos und Züge verbrauchen entsprechend mehr Energie,
wenn die Luft kalt und somit dichter ist. Auf der anderen Seite
erhöht sich aber auch die Traglast von Flugzeugen und
Windkraftanlagen produzieren mehr elektrischen Strom.
Im zweiten Teil wird es dann um den Einfluss des in der Luft
vorhandenen Wasserdampfes auf den Luftwiderstand gehen.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: Wikicommons
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