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10. Mai 2015 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Ein früher Start in die Hurrikansaison

Wenn man im Wonnemonat Mai über das Wetter in den USA spricht, dann ist das Hauptthema meist die zu dieser Zeit auftretende sehr ausgeprägte Gewitteraktivität, die in den Bereichen östlich der Rocky Mountains nun zu ihrer Hochform aufläuft.

Wiederholt erreichen uns dann Bilder und Berichte von gewaltigen Tornadoausbrüchen, großem Hagelschlag und Überschwemmungen. So auch dieser Tage, wo ein Unwettertag den nächsten jagt.

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Doch etwas anderes sorgte in den letzten Tagen sogar noch für mehr
Aufregung. Am 7. Mai entwickelte sich vor den Küsten Nord- und
Süd-Carolinas (Südosten der USA) ein subtropischer Sturm mit dem
Namen ANA, der sich am 9. Mai unter langsamer Nordverlagerung in
einen tropischen Sturm umwandelte (siehe die Übersichtskarte auf). Doch wenn man bedenkt, dass sich die
eigentliche Hurrikansaison im Nordatlantik von Juni bis November
erstreckt, wieso kann sich dann solch ein Sturmsystem so früh bilden
und was ist denn überhaupt der Unterschied zwischen einem
Subtropensturm und einem Tropensturm?

Wenden wir uns zunächst einmal der Frage des Antriebs zu. In der
Meteorologie unterscheiden wir zwischen außertropischen Stürmen und
(sub) tropischen Systemen. Während die für uns Mitteleuropäer
bekannten außertropischen Stürme ihre Energie vor allem aus den
horizontalen Temperaturunterschieden in der Troposphäre beziehen,
stammt die Energie bei (sub) tropischen Systemen u.a. aus der
Freisetzung latenter (verborgener) Wärme oder aber auch aus der
Ausprägung des vertikalen Temperaturgradienten.
Subtropische Systeme entstehen häufig in Verbindung mit einem
Höhentief, welches kalte Temperaturen z.B. in 4-5 km über
Meeresniveau aufweist. Zieht so ein Wirbel über sehr warmes Wasser,
dann wird durch den erhöhten vertikalen Temperaturgradienten
zunehmend Labilität aufgebaut und es kommt vermehrt zu hochreichender
Konvektion (z.B. kräftige Schauer und Gewitter). Diese sorgt dafür,
dass die mittlere Atmosphäre zunehmend feuchter wird und sich immer
stärkere Konvektionsschübe ereignen können. Nicht selten sieht man
bei subtropischen Stürmen ein Pulsieren der Konvektion, wobei für
einige Stunden ein markanter Konvektionsschub für eine Verstärkung
des Systems sorgt, bevor nachfolgend eine Ruhephase einsetzt. Je mehr
diese Konvektion im Verlauf der Zeit in Zentrumsnähe rückt, desto
wahrscheinlicher ist es, dass sich durch die Freisetzung latenter
Wärme in mittleren Höhenbereichen der Troposphäre allmählich ein
Gebiet mit etwas wärmeren Temperaturen ausbilden kann (ein
sogenannter seichter, warmer Kern). Dies ist ein typisches
Unterscheidungsmerkmal zwischen (sub) tropischen und außertropischen
Systemen, wobei Letztere einen kalten Kern aufweisen. Vom Satelliten
aus gesehen ist das Erscheinungsbild der Konvektion meist noch recht
unorganisiert und die Konvektion ist teils weit vom Zentrum in
Bändern angeordnet. Somit kann sich auch kein hochreichend warmer
Kern ausbilden, was wiederum das Merkmal von tropischen Stürmen
darstellt.


Ein Unterschied zwischen subtropisch und tropischen Systemen ist der,
dass subtropische Systeme häufig bei relativ starker Windscherung
(Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe) auftreten können,
während sich tropische Systeme nur bei sehr scherungsarmen Lagen
verstärken können. Dies kann man leicht verstehen, denn ein
tropisches System wird ja von der zentrumsnahen Konvektion
angetrieben, und wenn starke Winde wehen, wird die Konvektion rasch
vom Kern abgetrieben. Einem subtropischen System hingegen macht die
Windscherung weniger zu schaffen, da gleich mehrere Prozesse für die
Intensivierung verantwortlich sind (u.a. auch die horizontalen
Temperaturgradienten wie bei außertropischen Tiefdruckentwicklungen).
Die negativen Auswirkungen der starken Windscherung können somit
durch andere Prozesse ausgeglichen werden.

Allgemein ist das Sturmfeld bei subtropischen Systemen großflächiger
und die stärksten Winden befinden sich nicht selten in den
Konvektionsbändern weit weg vom Zentrum, während es bei tropischen
Stürmen zentrumsnah am stärksten ausfällt. Auch die Niederschläge
fallen bei subtropischen Tiefdruckgebieten schwächer aus, da die
Konvektion bei Weitem nicht so ausgeprägt ist, wie die bei den
"reinen" Tropenstürmen.


Doch wie ist ANA entstanden und wie wird es mit ihr weitergehen?
Entsprechend der vorherigen Beschreibung entstand ANA im
Einflussbereich eines schwachen Höhentiefs, welches mit etwas
kälterer Höhenluft über den Golf von Mexiko und Florida ostwärts zog.
Dort sorgte das warme Wasser des Golfstroms (Wassertemperaturen teils
über 25 °C) unter der kälteren Höhenluft für eine zunehmende
Labilisierung und für ein Aufflammen der Gewitteraktivität. Das
Zentrum von ANA zieht in der Folge nur sehr langsam nach Norden und
wird die entsprechenden Küstengebiete sehr bald mit viel Regen, Wind
und einzelnen Tornados heimsuchen, wobei die Ausläufer bereits jetzt
schon an Land gegangen sind. ANA weist dabei eine mittlere
Windgeschwindigkeit von 85 km/h auf, was einem mäßig starken Sturm
entspricht. Dabei wurde gestern bei nachlassender Windscherung
verstärkt zentrumsnah Konvektion aufgebaut, sodass aus dem
subtropischen Sturm ein rein tropisches System wurde. Laut der
letzten Vorhersage des National Hurricane Centers wird sich ANA dann
über Land rasch abschwächen, da der Antriebsmotor, das warme
Meerwasser, fehlt und der Sturm wird sich zügig nach Nordosten
verlagern.

Grundsätzlich ist die Entwicklung von subtropischen Stürmen auch
außerhalb der Hurrikansaison nichts Unbekanntes und kommt immer
wieder mal vor. Jedoch ist dies einer der frühesten Fälle im
Nordatlantik, wo die Bildung eines Subtropensturms offiziell
beobachtet wurde. Dies lässt jedoch keinen Rückschluss auf die
Aktivität der nachfolgenden Hurrikansaison zu.
Es bleibt nur zu hoffen, dass ANA nicht zu viel Zerstörung anrichtet,
denn die eigentliche Hurrikansaison im Nordatlantik steht ja erst
noch vor der Tür!



© Deutscher Wetterdienst

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