Unterschiedlicher können die Hurrikan-Saisons über dem Atlantik und über dem Ostpazifik nicht verlaufen. Zwar bringt es der Ostpazifik grundsätzlich im Mittel auf mehr tropische Wirbelstürme als der Atlantik (Ostpazifik: 15, Atlantik: 12), doch in diesem Jahr sind die Unterschiede wesentlich deutlicher. Während über dem Atlantik bis dato insgesamt nur 5 tropische Stürme registriert wurden, sind es über dem Ostpazifik bereits 15. Für dieses Phänomen lässt sich auch eine mögliche Erklärung finden, doch dazu später mehr.
Lassen Sie uns zunächst einmal dahin gehen, wo die "Musik spielt" - zum Ostpazifik. Nicht weniger als 3 Stürme sind dort aktuell gleichzeitig aktiv. Einer von ihnen, IGNACIO, wird sogar als Hurrikan der ersten Kategorie eingestuft, die beiden anderen noch als tropische Stürme klassifizierten Systeme KILO und JIMENA werden voraussichtlich noch folgen.
Besonders interessant ist Hurrikan IGNACIO. Dieser befindet sich auf einer nordwestlichen Bahn und steuert auf das noch etwa 1500 Kilometer entfernte Hawaii zu. Zwar gibt es noch große Unsicherheiten bezüglich der weiteren Zugbahn, jedoch lässt die Durchsicht aller Modellprognosen den Schluss zu, dass IGNACIO Hawaii mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit recht nahe kommen könnte (siehe Grafik mit der Verlagerung). Zudem sorgt ein Zusammenspiel verschiedener meteorologischer Bedingungen für ein hohes Entwicklungspotenzial. IGNACIO wird sich in den kommenden 48 Stunden weiter verstärken und womöglich bis zu einem Hurrikan der dritten Kategorie heranreifen. Bevor er sich Hawaii endgültig nähert (das wird in etwa 4 Tagen der Fall sein), dürfte er sich zwar wieder abschwächen, aber wohl weiterhin Hurrikanstärke aufweisen.
Tropische Stürme erfassen Hawaii vergleichsweise selten. Der Inselkette wird sogar eine Hurrikan-Immunität nachgesagt. Tatsächlich wird die Zahl der Stürme, die seit Aufzeichnungsbeginn (1950) als Hurrikan direkt auf Hawaii trafen, auf 4 beziffert. Der letzte "Volltreffer" fand 1992 in Form von Hurrikan INIKI statt. Er sorgte für Schäden in Milliardenhöhe und insgesamt 6 Todesopfer. Natürlich bringen auch tropische Stürme geringerer Intensität durchaus hohes Schadenspotenzial mit sich. Als Beispiel kann an dieser Stelle Tropensturm ISELLE genannt werden, der im Juli 2014 Hawaii erfasste.
Wie lässt sich erklären, dass Hawaii von tropischen Stürmen so oft verschont bleibt? Ein zwischen Hawaii und der nordamerikanischen Westküste quasi stationäres und meist sehr umfangreiches subtropisches Hochdruckgebiet wirkt wie ein natürliches "Bollwerk". Das Hoch zwingt die tropischen Wirbelstürme, die meistens ihren Ursprung vor der mittelamerikanischen Westküste haben und sich dann über dem sehr warmen Wasser des äquatorialen Ostpazifiks westwärts verlagern, auf eine weit südlich an Hawaii vorbeilaufende Bahn. Zudem bringen die Ostwinde an der Südflanke des Hochdruckgebietes auch kühles Meereswasser mit sich. Die Entwicklung von tropischen Stürmen über dem kühleren Wasser weiter nördlich und östlich von Hawaii ist damit fast ausgeschlossen.
Wenn es wie in diesem Jahr zu einem El-Nino-Phänomen kommt, also zu Strömungsveränderungen in der Atmosphäre über dem äquatorialen Pazifik sowie im Pazifik selbst (siehe z. B. im Wetterlexikon unter http://www.dwd.de/lexikon), können sich auch die Voraussetzungen für die Sturmentwicklungen über dem Ostpazifik verändern. Die lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass sich das subtropische Hochdruckgebiet während eines El Nino-Ereignisses insgesamt abschwächt und nicht mehr so effektiv als Bollwerk fungiert. Die blockierenden Ostwinde an der Südflanke des Hochs lassen nach und machen ein Vorankommen der tropischen Stürme nach Norden - auch Richtung Hawaii - wahrscheinlicher.
Darüber hinaus erwärmt sich das Wasser des äquatorialen Pazifiks während eines El Nino-Ereignisses stärker. Tropische Wirbelstürme können dort in der Folge intensiver und insgesamt häufiger auftreten. Dem tropischen Atlantik dagegen bringt El Nino eher ungünstige Voraussetzungen für die Sturmentwicklung. Diese gegensätzlichen Auswirkungen können besonders in starken El Nino-Jahren hinsichtlich der Aktivität sehr unterschiedliche Hurrikan-Saisons über dem Atlantik und über dem Ostpazifik hervorbringen. Diesbezüglich scheint das Jahr 2015 ein klassisches Beispiel zu sein.