In den letzten Tagen kam es vor allem nördlich des Mains gebietsweise zu Schauern. Doch wie entstehen Schauer überhaupt und wodurch werden sie charakterisiert?
Der Himmel lächelte kurz, bevor er einen heftigen Regenschauer niederprasseln ließ. pic.twitter.com/W77n23osps
— Lighthouse (@IV_Leuchtfeuer) 5. September 2015
Schauer entstehen durch starke Vertikalbewegungen der Luft in der Atmosphäre, welche eine sogenannte labile Schichtung aufweisen muss. Diese liegt vor, wenn sich die Luft mit zunehmender Höhe stark abkühlt. Am günstigsten für die Entstehung von Schauern ist Kaltluft, die sich bis in mehrere Kilometer Höhe erstreckt. Am vergangenen Donnerstag war die Luft in einer Höhe von ungefähr fünf Kilometern unter -20 Grad kalt. Das ist immerhin kälter als in den meisten Tiefkühlschränken!
Scheint nun tagsüber zunächst die Sonne, erwärmt sie zuerst den Boden und dieser wiederum die bodennahen Luftschichten. Da der Boden nicht hundertprozentig homogen beschaffen ist, erwärmt er sich unterschiedlich stark - über ihm entstehen dann "Warmluftblasen". Nach dem Archimedischen Auftriebsprinzip steigen diese Warmluftblasen als "Luftpakete" auf, da sie wärmer und somit wegen der geringeren Dichte leichter sind als die kältere Umgebungsluft. Beim Aufstieg kühlen sich die Luftpakete pro 100 Meter Höhe um 1 °C ab. Auch die Umgebungsluft wird mit zunehmender Höhe kälter. Da die Luftmasse bis in große Höhen kalt ist, bleiben die Luftpakete relativ wärmer und steigen so ungehindert weiter auf. Dies geschieht mit einer Geschwindigkeit, die bei Schauern typischerweise um 10 m/s liegt, bei heftigen Gewittern aber durchaus über 50 m/s (!) betragen kann.
Nun kann aber kalte Luft weniger Feuchtigkeit (in Form von Wasserdampf) aufnehmen als warme. Irgendwann hat sich die aufsteigende Luft so stark abgekühlt, dass sie mit Wasserdampf gesättigt ist. In der Folge kommt es zur Kondensation des dann überschüssigen Wasserdampfes an winzigen Staubpartikeln, den sogenannten Aerosolen. Es bilden sich kleine Tropfen, aus denen beispielsweise Haufenwolken bestehen.
Wolkentröpfchen besitzen typischerweise einen mittleren Durchmesser von lediglich 0,01 mm. Das allein führt in mittleren Breiten allenfalls zu Sprühregen, für richtige Schauer reichen sie aber nicht aus. Für die Bildung großer Regentropfen in Schauerwolken werden zusätzlich Eiskristalle benötigt. In hochreichenden Wolken wird mit zunehmender Höhe irgendwann auch eine Temperatur unter 0 °C (besser -10 °C) erreicht, sodass sich die benötigten Eiskristalle bilden können. Dabei können Wolkentröpfchen und Eiskristalle koexistieren, da die flüssige Phase auch bei negativen Temperaturen vorliegen kann ("unterkühltes Wasser").
Diese Koexistenz ist aber mehr kriegerisch denn friedlich, da die Eiskristalle den Wasserdampf aus ihrer Umgebung ansaugen und ihn sich einverleiben. Dadurch verdampfen Wolkentröpfchen wieder und stellen so neuen Wasserdampf als Nahrung für die Eiskristalle zur Verfügung. Diese wachsen auf Kosten der Wolkentröpfchen immer weiter an, zumal zusätzlich unterkühlte Wassertropfen anfrieren können. Diesen Prozess nennt man Bergeron-Findeisen-Prozess. Ab einer bestimmten Größe können die Eiskristalle nicht mehr vom in der Wolke herrschenden Aufwind gehalten werden und beginnen zu fallen. Beim Fallen werden weitere Wolkentröpfchen aufgesammelt, die die Größe der Eiskristalle weiter erhöhen und so Schneeflocken oder Graupelkörner entstehen lassen. Wenn auf dem Weg nach unten die 0 °C-Grenze überschritten wird, schmelzen die Eiskristalle und erreichen als großer Regentropfen den Boden. In Schauerniederschlägen können die Tropfen maximal fünf bis sechs Millimeter groß sein. Bei größeren Durchmessern werden sie instabil und zerplatzen aufgrund des hohen Luftwiderstands zu mehreren einzelnen Tropfen. Wenn es auf dem Fallweg kalt genug ist, unterbleibt der Schmelzprozess, sodass der Niederschlag in fester Form (z.B. Schnee) fällt.
Schauerniederschläge sind mitunter kräftig und meist nur von kurzer Dauer, in mittleren Breiten beträgt diese typischerweise mehrere Minuten. Ihre Ausdehnung ist lokal eng begrenzt, was ihre Vorhersage, insbesondere mehrere Stunden im Voraus erschwert. Man kann das gut mit einem Topf kochendem Wasser vergleichen: Man weiß zwar, dass irgendwo eine Blase aufsteigt, aber nicht, wo genau dies als nächstes der Fall sein wird. So kann es vorkommen, dass innerhalb einer Stadt ein Stadtteil überhaupt keinen Niederschlag abbekommt, während im benachbarten Stadtteil die Welt unterzugehen scheint. Häufig treten Schauer unorganisiert auf, wobei sich im Radarbild ein streuselkuchenartiges Muster erkennen lässt und absterbende Zellen zügig durch neue ersetzt werden. Solch ein "Streuselkuchenbild" vom vergangenen Donnerstag finden Sie weiter oben. Weiterhin charakteristisch ist ein schneller Wechsel zwischen niedergehenden Schauern und Aufheiterungen, sodass oftmals eine Zeit lang blauer Himmel zu sehen ist.