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15. Februar 2016 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Der Fujiwhara-Effekt - wenn sich zwei Tiefdruckgebiete näherkommen

Der Fujiwhara-Effekt - wenn sich zwei Tiefdruckgebiete näherkommen

Datum 15.02.2016

Besonders im Herbst und Winter erleben wir immer wieder Phasen, wo zahlreiche Tiefdruckgebiete in unterschiedlicher Entfernung voneinander ihr Unwesen treiben. Doch was passiert eigentlich, wenn sich zwei Tiefdruckgebiete gegenseitig annähern? Dieser Effekt soll heute beschrieben werden.


Zwillings-Hurrikane Ione (links) und Kirsten (rechts) drehten sich aufgrund des Fujiwhara-Effekts während der Pazifischen Hurrikansaison 1974 umeinander
Zwillings-Hurrikane Ione (links) und Kirsten (rechts) drehten sich aufgrund des Fujiwhara-Effekts während der Pazifischen Hurrikansaison 1974 umeinander


Beim Blick auf Satellitenbilder, die jeder von uns zum Beispiel am Abend nach den Nachrichten im Wetterbericht bestaunen kann, sind unterschiedlich gut ausgeprägte Wolkenwirbel zu erkennen. Mal windet sich ein kompakter "Wolkenschlauch" um ein Zentrum, mal weist so ein Wirbel unzählige symmetrisch angeordnete Wolkenspiralen auf. Nicht selten treten gleich mehrere solcher Wirbel auf einem Bild auf, besonders dann, wenn es sich um eine sehr aktive Westwindwetterlage handelt. Dann können sich wiederholt Tiefdruckgebiete ausbilden. In den meisten Fällen sind diese weit genug voneinander entfernt um zu interagieren, aber manchmal geschieht dies doch. Besonders bei tropischen Wirbelstürmen fallen die Auswirkungen einer Interaktion ins Auge, da deren Entwicklung, Intensität und Verlagerung entsprechend ihres enormen Schadenpotentials besonders genau verfolgt werden. Dieser sogenannte "Fujiwhara-Effekt" soll nun näher betrachtet werden.

Benannt wurde dieses Verhalten zweier nah beieinanderliegender zyklonal (also auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn rotierender) Wirbel von und nach Dr. Sakuhei Fujiwhara, dem ehemaligen Direktor des japanischen Wetterdienstes in Tokyo. Sein Hauptaugenmerk, besonders zwischen 1921 und 1923, galt Wirbeln im Wasser. Wer stand nicht schon einmal auf einer Brücke, blickte in den Bach oder Fluss unter sich und verfolgte gespannt die Bahn kleiner Verwirbelungen auf der Wasseroberfläche? Wie entwickeln sich diese Wirbel weiter und was würde passieren, wenn sich mehrere solcher Wirbel treffen? Kann man vorhersagen, wo sie sich hinbewegen? Fragen über Fragen und Dr. Fujiwhara versuchte diese professionell zu beantworten.

Ihm fielen im Verlauf seiner Studien durch Beobachtungen, aber auch durch mathematische Berechnungen, einige Merkmale auf, wie sich solche Wirbel bei einer Interaktion untereinander verhalten. Dabei kommt es vor allem auf die Größe und den Umfang beider Wirbel an. Wenn einer der Wirbel hinsichtlich seines Durchmessers größer als der andere ist und beide in dieselbe Richtung rotieren, dann beginnen sie im Verlauf der Annäherung die Verlagerung des jeweils anderen Wirbels zu beeinflussen. Entsprechend der Stärke der jeweiligen Wirbel dominiert der größere und stärkere. Wenn nun beide Wirbel umeinander rotieren, dann findet diese Rotation um ein geometrisches Zentrum statt (der Mittelpunkt einer gedachten Linie, die beide Wirbelzentren miteinander verbindet). Allerdings muss dieses Drehzentrum nicht in der Mitte zwischen beiden Wirbeln liegen. Die genaue Lage ist abhängig von der Intensität der beiden Wirbel.



Ab wann dieser Effekt zu wirken beginnt, wird in der Literatur abweichend beschrieben, liegt aber bei tropischen Stürmen im Allgemeinen bei einer Distanz von 1300 bis 1400 km. Entsprechend der größeren horizontalen Ausdehnung von außertropischen Tiefdruckgebieten im Vergleich zu tropischen, kann hier eine Interaktion bereits bei einer Distanz von 2000 km entstehen.

Im unten angehängten Bild sind zwei Beispiele aufgezeigt, die diesen Effekt visuell hervorheben sollen, aber auch zeigen, dass dies direkt vor "unserer Haustüre" passieren kann. Es wird die Zugbahn von Hurrikan IRIS aus dem Jahr 1995 gezeigt (Bild links), wobei die unterschiedlichen Farben die Intensitäten von IRIS anzeigen. Dieser Sturm wurde in einem großen Bogen von einem Bereich östlich der Kleinen Antillen bis vor die Tore Nordwesteuropas geführt. Ohne jegliche Interaktion mit anderen Tiefdruckgebieten oder tropischen Stürmen hätte die Zugbahn einen relativ "glatten" Bogen beschrieben. Jedoch interagierte IRIS gleich mit zwei weiteren Tropenstürmen, nämlich Hurrikan HUMBERTO und Tropensturm KAREN. Die Bereiche werden durch rote Kreise hervorgehoben. In der Terminologie der Tropensturmvorhersage fallen solche kurzzeitigen Abweichungen von der eigentlichen Zugbahn unter den Begriff "wobble", der auch durch Intensitätsschwankungen entstehen kann. Interessant dabei, dass HUMBERTO IRIS und später IRIS KAREN beeinflusste. Die Stärke entscheidet, wer dominiert.


Zum Vergrößern bitte klicken
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Ein weiteres Beispiel zeigt die Interaktion zweier außertropischer Tiefdruckgebiete westlich von Irland, wobei die entsprechenden Verlagerungen mit Hilfe von Pfeilen eingezeichnet wurden. Dabei sei noch gesagt, dass sich der nördliche Wirbel rasch abschwächte und somit der südlichere die dominante Rolle übernahm.

Man kann sich vorstellen, dass durch solch ein dynamisches Zusammenspiel der Tiefdruckgebiete nicht nur die Meteorologen im operationellen Vorhersagedienst, sondern auch die numerischen Wettermodelle wiederholt vor nicht zu unterschätzende Vorhersageprobleme gestellt werden. Im besten Fall sorgt der "Fujiwhara-Effekt" nur für eine Veränderung der Zugrichtung, im schlimmsten Fall jedoch kann es auch zu einem regelrechten Verschmelzen beider Wirbel kommen. Dies wiederum hat dann natürlich Auswirkungen auf die Intensität des letztendlich noch vorhandenen Wirbels. Auch solche eher seltenen Effekte erhöhen die Unsicherheit der Vorhersage. Alleine an diesem Beispiel kann man also erkennen, wie komplex die Wettervorhersage selbst in der heutigen Zeit mit Computern und Satelliten manchmal sein kann.



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