Gerade der von borealen Nadelwäldern geprägte Norden Albertas ist anfällig für Waldbrände. Sehr warme, trockene und windige Bedingungen begünstigen das Entfachen und schnelle Ausbreiten größerer Waldbrände im Wesentlichen aber erst während der Sommermonate. Insofern sind die aktuell lodernden Flammen schon rein vom "Timing" her ungewöhnlich. Verantwortlich dafür waren einerseits eine für Anfang Mai untypische Wetterlage und andererseits die besonderen Witterungsverhältnisse der vergangenen Monate. Ein für den Frühling ungewöhnlich weit nach Norden verschobenes Tiefdruckgebiet führte mit kräftigen südwestlichen Winden heiße und trockene Luftmassen bis in den Norden Albertas (siehe Skizze oben). Die Hitzewelle brach zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt über die Region herein, als der Schnee des Winters gerade abgetaut war, sich das Ergrünen der Vegetation aber noch nicht vollzogen hat. Aufgrund des warmen, aber vor allem sehr schnee- und niederschlagsarmen Winters und Frühlings (es wurde zwischen Dezember und April teils weniger als 50% der sonst üblichen Niederschlagsmenge registriert) fiel dieses üblicherweise sehr schmale Zeitfenster viel größer aus.
Die für die Ausbreitung der Feuer geradezu optimalen Bedingungen (Temperaturen über 30 Grad, eine relative Luftfeuchtigkeit unter 10 % und Windböen über 70 km/h) sorgten dafür, dass sich die Waldbrände schnell und völlig unkontrollierbar auf eine Fläche von etwa 2000 Quadratkilometern ausdehnen konnten. Das entspricht mehr als der doppelten Fläche Berlins. Ganz besonders betroffen war eine Region rund um die 60.000-Einwohner-Stadt Fort McMurray. Es ist das erste Mal, dass auf dem nordamerikanischen Kontinent eine vergleichbar große Siedlung fernab größerer Ballungsräume von Waldbränden eingeschlossen und in Folge dessen vollständig evakuiert werden musste. Letzte Meldungen gehen von zwei Todesopfern und rund 2400 zerstörten Gebäuden aus. Damit bewahrheiteten sich wenigstens die schlimmsten Befürchtungen nicht vollends.
Fort McMurray wildfire continues to burn & is seen by our satellites: https://t.co/pC323VCD24 pic.twitter.com/s5tdr6FCUB
— NASA (@NASA) 9. Mai 2016
So ungewöhnlich die Waldbrände in Kanada zu dieser Zeit auch sind, zumindest im global-klimatologischen Kontext scheinen sie kein reines Zufallsprodukt zu sein. Sowohl das El Niño-Ereignis des vergangenen Jahres, als auch die längerfristige globale Klimaveränderung könnten dabei die Finger im Spiel haben. So tendiert beispielsweise El Niño dazu, Kanada sehr warme Winter zu bescheren. Im vergangenen Winter erstreckte sich eine deutliche positive Anomalie der Temperatur sogar vom Nordwestpazifik bis nach Alaska. Diese eher episodisch auftretende Variation der Wetterverhältnisse wird von der ungleich langfristigeren und nachhaltigen starken Erwärmung der hohen Breiten im Zuge des globalen Klimawandels überlagert. Letztere könnte die Ursache dafür sein, dass in den letzten Jahren ein immer zügigeres Abtauen der Schneedecke im Frühjahr beobachtet werden konnte.
Es gibt natürlich noch weitaus mehr Faktoren, die das häufigere und frühere Auftreten der Waldbrände begünstigen können. Insbesondere Veränderungen des Landschaftsbildes, beispielsweise durch Modifikation des Waldbestands (Anpflanzen von Monokulturen, Schäden durch frühere Waldbrände), sind erwähnenswert.
In Alberta sorgte eine Kaltfront Anfang dieser Woche für eine deutliche Abkühlung. Feuchteres und wolkenreicheres Wetter ermöglichte eine Eindämmung der Brände und damit eine leichte Entspannung der Gesamtsituation. Angesichts des nahenden Sommers und der immer noch teils unkontrollierten Brandherde ist allerdings zu befürchten, dass die Flammen noch längere Zeit in der Region lodern werden.