Der Start in die diesjährige Taifunsaison über dem Nordwestpazifik verlief außergewöhnlich ruhig. 4776 Stunden, also sage und schreibe 199 Tage am Stück, trat dort kein tropischer Wirbelsturm auf. Das ist die längste Phase ohne Registrierung eines Taifuns in der nordwestpazifischen Geschichte. Doch es scheint, als ob die Natur das mit einem Schlag "wieder gut machen" wollte. Denn am 200. Tag der Inaktivität, dem 3. Juli 2016, klassifizierte der zuständige japanische Wetterdienst (JMA) einen sich intensivierenden tropischen Sturm schließlich als Taifun und taufte ihn auf den Namen NEPARTAK. NEPARTAK, dessen Geburtsstunde den zweitspätesten Start in eine Taifunsaison markiert, sollte in der Folge gleich zu einem ungewöhnlich starken "Super-Taifun" der fünften Kategorie heranreifen.
NEPARTAKS Wiege befindet sich über dem Seegebiet nahe Guam. Eine bemerkenswerte Intensivierung zwischen dem 30. Juni (erste Registrierung) und dem 3. Juli veranlasste die JMA zu einem Hochstufen des Systems zu einem tropischen Sturm und schließlich zu einem Taifun der ersten Kategorie. Die Luftdruckverteilung im Umfeld des Taifuns sowie sehr gute Entwicklungsbedingungen (sehr hohe Meeresoberflächentemperaturen von rund 31 Grad und geringe Änderung der Winde mit der Höhe) zwischen dem Marianen-Archipel und dem asiatischen Kontinent ließen schnell die Befürchtung aufkommen, dass NEPARTAK unter weiterer Verstärkung auf einen nordwestlichen Kurs kommen und sich Taiwan und später auch China nähern könnte.
Leider bewahrheiteten sich diese Befürchtungen, die in der Zwischenzeit auch durch konsistente Wettermodellberechnungen immer weiter genährt wurden. NEPARTAK ließ als Super-Taifun der fünften und damit höchsten Kategorie am 6. Juli etwa 1000 Kilometer südöstlich von Taiwan so richtig die Muskeln spielen. Sowohl der gerade mal knapp 900 hPa betragende Luftdruck in Kernnähe, als auch das 1-Minuten-Mittel der Windgeschwindigkeiten von 280 km/h ließen keine Zweifel aufkommen: NEPARTAK plusterte sich zu einer echten, überaus gefährlichen Naturgewalt auf.
Zugegeben, vom Weltraum aus gesehen ging NEPARTAK mit seinem sehr deutlich definierten "Auge" und seiner Symmetrie durchaus als Schönheitsideal für tropischen Wirbelstürme durch (siehe Grafik). Die Ambivalenz dieser "natürlichen Schönheit" bekamen am Abend (UTC) des 7. Juli allerdings die Bewohner Taiwans zu spüren. NEPARTAK legte als Taifun der vierten Kategorie mit extremen Windböen und exzessiven Regenfällen im Gepäck an der Südostküste der Insel an.
An einigen Orten im Südosten der Insel wurden binnen 24 Stunden fast 500 Liter Regen pro Quadratmeter (Tianxiang 484 l/qm, Yuli 444 l/qm) registriert - das ist mehr, als in einigen Regionen Deutschlands in einem ganzen Jahr fällt. Kein Wunder also, dass es zu teils gewaltigen Überflutungen kam. Windböen mit Geschwindigkeiten von 200 km/h und mehr leisteten darüber hinaus einen weiteren, erheblichen Beitrag zu den großen Schäden. Leider sind auch mindestens zwei Todesopfer zu beklagen.
Über der Insel schwächte sich NEPARTAK rasch ab. Auch auf seinem Weg über die Formosastraße Richtung chinesischer Küste, wo er heute Morgen an Land ging, kam es zu keiner neuerlichen Intensivierung. Mit heftigen Regenfällen ist im Osten Chinas heute und in den kommenden Tagen aber trotzdem zu rechnen. Da die Böden durch die Monsunregenfälle der vergangenen Tage gesättigt sind, dürften Überschwemmungen recht wahrscheinlich sein.
Die Gewalt, mit der Taifun NEPARTAK Taiwan traf, lässt die 200-tägige Ruheepisode über dem Nordwestpazifik fast in Vergessenheit geraten. Im Nachhinein war es eher eine trügerische Ruhe vor dem großen Wirbelsturm.