Die sogenannte "Arktische Oszillation (AO)" beschreibt die Veränderungen der Luftdruckgegensätze in Bodennähe zwischen den arktischen und mittleren Breiten auf der Nordhalbkugel.
Dabei wird die AO durch drei Aktionszentren charakterisiert, die im Bereich der Biskaya, bei Island sowie über den Aleuten (westlich von Alaska) zu finden sind. Je nachdem ob an den Aktionszentren hoher oder tiefer Luftdruck vorherrscht, kann die arktische Oszillation, analog zur Nordatlantischen Oszillation, in eine positive und eine negative Phase eingeteilt werden. Als Maß für diese Oszillation dient dabei der dimensionslose AO-Index. Mit dessen Hilfe kann die Stärke des Grundmusters der AO bestimmt werden, wobei einer positiver Index für eine positive AO-Phase und ein negativer Index für eine negative Phase steht.
Der Partner zur Arktischen Oszillation ist der Polarwirbel. Bei dem sogenannten "Polarwirbel" handelt es sich um ein großräumiges und hochreichendes Tiefdruckgebiet bis in die Stratosphäre hinein, das sich sowohl über der Nord- als auch über der Südpolargegend insbesondere in den Wintermonaten ausbildet. Verantwortlich für die Entstehung bzw. Verstärkung der Polarwirbel sind markante Kaltluftzonen, die aufgrund der negativen Strahlungsbilanz in den Polargebieten entstehen. In den sehr langen Polarnächten kann die Luft stark auskühlen. In Bodennähe bildet sich nachfolgend oft ein flaches Kältehoch, das schließlich von dem hochreichenden Tief überlagert wird. Da im Tief die Luft zusammenströmt kann sich mit Hilfe der Corioliskraft (Rechtsablenkung der bewegten Luftteilchen auf der Nordhalbkugel aufgrund der Erdrotation) schließlich eine ostwärtige zirkumpolare Strömung entwickeln. durch die ungleichmäßige Verteilung von wärmeren Wasserflächen und kälteren Landmassen besitzt der nördliche Polarwirbel oft zwei Zentren - eines über Nordostsibirien und eines über Nordostkanada.
Allgemein besteht eine starke Kopplung zwischen der Arktischen Oszillation in der unteren Troposphäre und der Stärke des Polarwirbels in der Stratosphäre bzw. höheren Troposphäre. Somit bietet die AO auch eine gute Möglichkeit den Einfluss der Stratosphäre auf signifikante Wettererscheinungen der unteren Troposphäre zu untersuchen.
Eine positive AO-Phase ist durch eine Verstärkung des Polarwirbels vom Boden bis zur unteren Stratosphäre gekennzeichnet, die ein Anstauen von kalter Luft in der Arktis bewirkt. Während wiederholt kräftige nordatlantische Sturmtiefs Regen und milde Temperaturen über Mittel- und Nordeuropa hinweg bis nach Sibirien transportieren, überwiegt in der mediterranen Region Trockenheit vor.
Die negative AO-Phase ist dagegen durch kalte kontinentale Luft über den mittleren Westen der USA bis in den Nordosten Kanadas, sowie durch Stürme und Regen in den mediterranen Regionen des westlichen Europas charakterisiert. Verantwortlich für diese Wettererscheinungen sind oftmals sogenannte "blockierende Wetterlagen" mit kräftigen Hochdruckgebieten in den mittleren Breiten. Dadurch kommt es zu meridionalen, also von Nord nach Süd bzw. Süd nach Nord gerichteten Strömungen. Während auf der Westflanke der Hochdruckgebiete warme Subtropikluft bis weit nach Norden Richtung Pol transportiert wird, kann auf der Ostflanke kalte Polarluft weit nach Süden gelangen.
Zum Monatswechsel Oktober/November waren die arktische Zirkulation sowie auch der Polarwirbel relativ schwach ausgeprägt. Dies belegt beispielsweise auch der sogenannte "AO-Index". Seit dem 11. Oktober befindet sich der AO-Index im negativen Bereich und soll zum Novemberbeginn ein Episodenminimum erreichen (vgl. Abbildung 1).
Entsprechend der negativen AO-Phase bildete sich zu Beginn des Novembers über dem Atlantik ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet aus, das sich vom Nordmeer bis zu den Azoren erstreckt und damit die für die die mittleren Breiten typischen Westwinde unterbindet. Gleichzeitig verstärkt sich über Mitteleuropa tiefer Luftdruck. Dabei stellte sich über Europa ein meridionales Strömungsmuster ein, wodurch polare Luftmassen von Skandinavien südwärts geführt werden (vgl. Abbildung 2). Der derzeitige Kältepool über Zentral- und Ostasien wird jedoch nicht angezapft, sodass ein massiver Wintereinbruch mit Dauerfrost und Schnee bis ins Tiefland noch nicht zu erwarten ist.
Die enge Kopplung zwischen der Arktischen Oszillation in der unteren Troposphäre und der Stärke des Polarwirbels lässt sich auch gut an dem vertikalen Schnitt der Anomalien der Geopotentiellen Höhe zeigen (vgl. Abbildung 1). Die negative AO-Phase seit Mitte Oktober geht gleichzeitig mit einem schwachen Polarwirbel in der Troposphäre einher, der dort sogar Strukturen eines "Splitting" aufweist (vgl. Abbildung 2). In der Stratosphäre konnte zum Monatswechsel beim Polarwirbel zwar ebenfalls eine Art Dipolstruktur beobachtet werden (vgl. Abbildung 3 + 4), allerdings ist dort keine signifikante Abschwächung des Wirbels zu erkennen. Für eine plötzlich starke Erwärmung der Stratosphäre, also einem sogenannten "Sudden Stratospheric Warming", das den Polarwirbel von der Stratosphäre her ebenfalls nachhaltig stören bzw. sogar splitten könnte, gibt es aktuell keine Hinweise. Dies belegen auch die derzeitigen Temperaturverteilungen in der Stratosphäre über der Nordhemisphäre (vgl. Abbildung 3 + 4).
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 04.11.2016
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