Einige unter uns Vorhersagemeteorologen sind schon eine besondere Spezies. Fahren wir in den Urlaub, denken wir häufig über das Wetter nach, machen unsere persönlichen Vorhersagen, um Tagesausflüge zu planen, und können dennoch - oder gerade deswegen? - entspannen. Auf einem Waldweg im Naturpark Sölktäler in der Steiermark entdeckte ich kürzlich eine wahre Besonderheit. Obwohl die Sonne auf uns nieder brutzelte und es sehr warm war, ließ es sich im Wald sehr gut aushalten. Nicht nur herrschte hier Schatten und ein naher Gebirgsfluss kühlte mit seinem frischen Wasser die Luft, auch mitten im Wald trat aus Löchern im dortigen sogenannten "Fichten-Kondenswassermoor" kalte Luft aus. Ursache dafür ist der sogenannte "Windröhreneffekt".
Kaum vorstellbar, dass die Sonne der Motor für diesen Effekt ist, denn ein gewisses Temperaturgefälle muss vorhanden sein, damit der "Windröhreneffekt" zum Tragen kommt. Weitere Bedingungen müssen jedoch auch erfüllt sein. Aber zurück zum Anfang: Das "Kondenswassermoor" ist ein sehr seltener Moortyp. Bisher sind nur sechs dieser Moore bekannt, die allesamt in Österreich liegen. Voraussetzung für die Entstehung dieses Moores ist eine sogenannte "Blockhalde", eine große Ansammlung von Steinblöcken, welche mindestens einen Durchmesser von 20 Zentimetern besitzen. Diese Blockhalde muss zudem ein Gefälle von mehr als 33 Grad und somit einen großen Höhenunterschied aufweisen. Auf die Vegetation des Fichten-Kondenswassermoors soll im heutigen Thema des Tages nicht weiter eingegangen werden. Viel interessanter für uns Meteorologen ist der erwähnte "Windröhreneffekt". Durch die Sonneneinstrahlung an heißen Sommertagen wird die Luft an der Oberfläche der Halde erwärmt und steigt auf. In den Hohlräumen zwischen den Steinblöcken im Inneren der Halde bleibt die Luft jedoch kühl, da sie von der Einstrahlung abgeschottet ist. Je wärmer es in der Umgebung ist, desto größer ist das Temperaturgefälle zwischen Innerem und Äußerem der Halde. Da kalte Luft schwerer als warme Luft ist, strömt die kühle Luft im Inneren der Halde nun zu ihrem Fuße der Blockhalde. Dort baut sich ein großer Druck auf und die kalte Luft tritt aus Öffnungen der Halde aus. Dabei dehnt sie sich abrupt aus und kühlt sich dadurch noch mehr ab. Diese Austrittsöffnungen werden "Kaltluftlöcher" genannt. Die warme Außenluft wird hingegen im oberen Haldenbereich angesaugt und so bleibt die Luft in der Halde beständig in Bewegung.
Wie kommt es nun zur Kondensation, wodurch das "Kondenswassermoor" seinen Namen erhält? Die angesaugte warme Außenluft strömt durch das Gangsystem im Inneren der Halde. Das unterirdische Wasser beginnt zu verdunsten. Dadurch wird Energie verbraucht, die wiederum einen starken Abkühlungsprozess bewirkt. Die Luft kühlt sich dabei weiter ab, fließt noch schneller zum unteren Ende der Halde und es baut sich dort ein noch höherer Druck auf. Dadurch kühlt sich die Luft beim Ausströmen aus der Halde (schlagartiges Ausdehnen) noch stärker ab. Direkt am Kälteloch wird die warme Außenluft sodann durch die kühle Haldenluft zum Kondensieren gebracht. Selbst an heißen Sommertagen beträgt die Temperatur an der Ausströmöffnung der Blockhalde nur wenige Plusgrade. In Extremfällen kann es dazu kommen, dass dort sogar kleine Eiszapfen entstehen.
Die Sonne spielt hier eine entscheidende Rolle. Ohne ihren Einfluss käme die Temperaturdifferenz nicht zustande und der Windröhreneffekt sowie die Kondensation an den Austrittsöffnungen blieben aus.
Und was hat es nun mit dem "natürlichen Kühlschrank im Wald" auf sich? Der beschriebene Effekt ist der Funktionsweise eines Kühlschranks ähnlich. So haben sich früher die Almbauern und Bergbewohner diesen Effekt zunutze gemacht und ihre Vorräte in den Kältelöchern gekühlt. Wäre es nicht schön, wenn wir in unseren Großstädten an den gegenwärtigen heißen Sommertagen auch solch natürliche Kaltluftlöcher hätten?