Bereits am 17. August, zu diesem Zeitpunkt noch östlich der Kleinen Antillen, wurde HARVEY vom National Hurricane Center (NHC) der USA als Tropischer Sturm geführt. Doch auf seinem Weg nach Westen über das Karibische Meer verlor HARVEY durch ungünstige Windbedingungen an Struktur und Stärke und damit nach nur zwei Tagen seinen Status als Sturm. Doch die Überbleibsel erwiesen sich als zäh und bei Erreichen des Golfs von Mexiko intensivierte sich HARVEY im Laufe des gestrigen Donnerstags deutlich. Rasch erlangte er wieder Sturm- und schließlich Hurrikanstärke. Freitagfrüh verstärkten sich die mittleren Windgeschwindigkeiten des Wirbelsturms auf 160 km/h, mit noch stärkeren Böen. Die Kategorie 2 der fünfstufigen Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala war damit erreicht.
Auf seinem weiteren Weg durch den westlichen Teil des Golfs von Mexiko findet HARVEY sehr günstige Entwicklungsbedingungen vor. Wassertemperaturen um 30 Grad liefern jede Menge Energie in Form von Verdunstung und nur schwache Winde in der höheren Atmosphäre stören die idealerweise symmetrische Struktur des Wirbelsturms kaum. So soll sich HARVEY, bis er auf die texanische Küste trifft, auch weiter verstärken und als Sturm der Kategorie 3 knapp nördlich von Corpus Christi mit Windgeschwindigkeiten um 200 km/h "an Land gehen". Der letzte "major hurricane", also Kategorie 3 oder höher mit Landfall in den USA liegt bereits zwölf Jahre zurück. 2005 traf Wilma am 24. Oktober als Wirbelsturm der dritthöchsten Stufe auf den Süden Floridas.
Durch den Windstau an der Küste Texas ist laut NHC gebietsweise mit einer Sturmflut von 2 bis 3,5 m über der astronomischen Tide zu rechnen.
Besondere Brisanz erfährt die eh schon gefährliche Lage durch den Umstand, dass HARVEY nach Landgang sich für mehrere Tage kaum von Ort und Stelle bewegen wird. Gut zu erkennen ist das an der etwas "unübersichtlichen" Grafik des NHC für den Bereich der texanischen Küste. Das heißt, dass die kräftigen Regenfälle in der tropischen Luftmasse bis Mittwoch kommender Woche immer wieder über ein und dasselbe Gebiet ziehen werden. In Summe ergeben sich für den Zeitraum von Freitag bis Mittwochfrüh exorbitante Niederschlagssummen für große Gebiete der texanischen Küste und die angrenzenden Regionen im Landesinneren. Verbreitet sollen 400 bis 650, lokal sogar bis zu 900 Litern pro Quadratmeter (l/qm) fallen. Das europäische Modell - kein Wettermodell, das zu Übertreibungen neigt - simuliert sogar bis zu 1.000 l/qm (siehe dazu Grafik mit dargestellten Werten über 30 l/qm). Zum Vergleich: In Corpus Christi fallen in einem durchschnittlichen August 126 l/qm. Innerhalb eines Jahres fallen durchschnittlich in Berlin in Relation dazu nur 570 und in Frankfurt am Main 630 l/qm. In der Folge ist mit großräumigen und länger anhaltenden Überschwemmungen in den betroffenen Gebieten zu rechnen.
Über die weiterführende Entwicklung von Harvey bestehen dann noch größere Unsicherheiten, in der Nähe des Golfs steht ihm aber weiterhin viel Feuchtigkeit zur Verfügung. Das Potenzial für größere Regenmengen ist also auch nach dem angesprochenen Zeitraum noch gegeben. Somit bleibt die Lage weiterhin brisant.