Vor kurzem haben Sie an dieser Stelle (Thema des Tages vom 04.04.2018) bereits etwas über die Neumayer Station III in der Antarktis erfahren, die vom Alfred Wegener Institut (AWI) betrieben wird. Während sich hierzulande die Temperaturen aktuell wieder einigermaßen normalisieren, steuert das zehn Mann starke Überwinterer-Team auf der antarktischen Forschungsstation schnurstracks dem Südwinter entgegen. In rund einem Monat beginnt dort bereits die Polarnacht, in der es die Sonne nicht mehr über den Horizont schafft.
Während des Sommerhalbjahres, genauer gesagt im Zeitraum von Anfang November bis Ende Februar, tummeln sich dagegen zusätzlich zu den Überwinterern zahlreiche "Sommergäste" auf der Station. Zusammen mit AWI-Logistikern, Wissenschaftlern, Projektmitarbeitern und Mechanikern/Ingenieuren, die für die Instandhaltung der Station und ihres Umfelds verantwortlich sind, bewohnen somit zeitweise um die 50 Leute den Trakt. Darunter befindet sich auch ein Vorhersagemeteorologe des Deutschen Wetterdienstes, über dessen Aufgaben Sie im morgigen Thema des Tages mehr erfahren. Doch warum ist die Besucherzeit ausgerechnet auf diese Monate beschränkt?
Nun, wie Sie sich sicherlich vorstellen können, hat das mit den klimatologischen Bedingungen vor Ort zu tun, die in der restlichen Zeit des Jahres für Schiffe (kompaktes, großflächiges Meereis, Stürme) und Flugzeuge (zu kalte Temperaturen, tiefe Wolken, Stürme) pauschal gesagt einfach zu kritisch sind. Doch dazu nun im Detail etwas mehr:
Temperatur: Spricht man mit Freunden und Familie über die eigenen Erfahrungen in der Antarktis, kommt in der Regel umgehend die Frage auf: "Was, Du warst in der Antarktis? Und, wie kalt war es dort?" Die Antwort darauf ist für viele meist enttäuschend - zumindest bezogen auf die Neumayer-Station. So beträgt die Jahresmitteltemperatur dort "nur" minus 16 Grad Celsius. Positive Tageshöchstwerte sind im Dezember und Januar keine Seltenheit. Der Rekord aus dem Jahr 1987 liegt sogar bei "satten" 7,5 Grad Celsius - plus wohlgemerkt. Dabei darf man nicht vergessen, dass der Standort in unmittelbarer Reichweite zum Meer liegt. Während offenes Wasser zum Ende des Sommers in der Regel rund 50 km entfernt ist, sind es im Winter durch kompaktes Meereis locker mehr als 1000 km! Somit geht in der dunklen Jahreszeit die Temperatur ordentlich in den Keller. Das absolute Minimum ist mit -50,2 Grad vom 08. Juli 2010 datiert. Wie anhand des zeitlichen Verlaufs der jährlichen Temperaturkurve seit Beginn der 80er Jahre zu erkennen ist (siehe Anhang), sind in den vergangenen 35 Jahren keinerlei Trends auszumachen.
Wind: In den Sommermonaten befindet sich die Frontalzone mit potentiellen Sturmentwicklungen häufig weiter im Norden bei etwa 60 Grad südlicher Breite und das antarktische Hoch ist aufgrund permanenter Einstrahlung (Polartag) ebenfalls abgeschwächt. In Kombination führt das zu einem Windminimum an der Neumayer-Station, teilweise sogar zu windstillen Bedingungen. Ab und an bringen heranziehende Stürme aber doch mittlere Windgeschwindigkeiten von rund 80 km/h (Bft 9), durchweg aus östlicher Richtung. Kein Vergleich dennoch zum Maximum in den Wintermonaten, in denen schon mehr als 150 km/h im Mittel registriert wurden. Wer sich nun noch deutlich höhere Spitzengeschwindigkeiten in Böen erhofft hat, wird leider enttäuscht; sie betragen "lediglich" 167 km/h. Aufgrund der kalten bodennahen Grundschicht bei gleichzeitiger Temperaturzunahme mit der Höhe (stabile Schichtung, Inversion), hält sich die Böigkeit in Grenzen.
Niederschlag: Man kann sich leicht ausmalen, dass bei Stürmen keinerlei Außenaktivitäten mehr möglich sind. Je nach vorhandenem lockeren Neuschnee setzt bei Windgeschwindigkeiten von rund 35 km/h bereits bodennahe Drift ein (noch ungefährlich), die ab etwa 55 km/h zunehmend nach oben anwächst und ins Schneetreiben übergeht. Entsprechend sind die Sichten herabgesetzt, was im Falle einer weiteren Windzunahme oder einsetzendem Niederschlag letztlich zu sogenannten White Out Verhältnissen führen kann. Das bedeutet, dass keine Unterscheidung zwischen Boden und Himmel mehr möglich ist. Dabei droht der totale Gleichgewichts- und Orientierungsverlust. Im Schnitt hat man es an der Station immerhin an einem Drittel der Tage im Jahr mit derartigen Witterungsverhältnissen zu tun. In seltenen Fällen kann sich ein White Out auch bereits bei geschlossener Bewölkung (Bewölkungs-White Out) oder diffuser Sonneneinstrahlung (Strahlungs-White Out) einstellen. Infolge der häufigen Drift gestaltet sich die Niederschlagsmessung respektive Trennung zwischen gefallenem Neuschnee und vedriftetem Altschnee nachvollziehbarerweise schwierig. Aus Erfahrung liegt der Nettoneuschneezutrag im Jahr bei über einem Meter.
Bei derart extremen äußeren Klimabedingungen ist es umso wichtiger, dass das Binnenklima stimmt. Mit ausgeklügelten Auswahlverfahren sowie einer umfassenden Vorbereitungs- und Kennenlernphase wird ein Team zusammengestellt, das die Herausforderungen in aller Regel erfolgreich meistert. *