Sturm im Sturmglas
Am heutigen Montag (11.06.) kann man beobachten, dass der Gewitterlage über Deutschland allmählich die Puste ausgeht. Vor allem in den Nordwesten ist schon verbreitet deutlich kühlere Luft eingeflossen, so dass die Höchstwerte dort nur noch um 23 Grad liegen werden. In der Südosthälfte sieht dies etwas anders aus. Dort ist weiter feuchte und heiße Luft anzutreffen, womit die "Gewitterei" anhält. Im äußersten Südosten steigen die Temperaturen sogar noch einmal auf Werte um 30 Grad.
24-stündige Niederschlagssummen bis heute 06 MESZ. Gemessen bis 36 l/qm, aus Radar abgeleitet lokal bis 100 l/qm. Auch heute im Süden schwere Gewitter (heftiger Starkregen, Hagel, Sturm- und Orkanböen). pic.twitter.com/ltu7NiU66A
— DWD (@DWD_presse) 11. Juni 2018
Damit stehen wir Meteorologen einmal mehr (wie schon seit Wochen) vor einem Kommunikationsproblem. Wir können zwar aufgrund der Eigenschaften einer Luftmasse sehr gut abschätzen, in welchen Regionen sich Gewitter bilden werden. Und auch die Begleiterscheinungen (heute z. B. heftiger Starkregen, Hagel, Sturm- oder Orkanböen, kurz: der Charakter der Gewitter) lassen sich vorab recht gut vorhersagen. Allerdings: Den genauen Ort der Gewitter können wir - wenn überhaupt - nur recht kurzfristig vorhersagen. Kann man mehr erwarten? Gute Frage. Aber es gab eine Zeit, in der diesbezüglich große Hoffnungen gemacht wurden.
Es handelt sich um die erste Hälfte des 19ten Jahrhunderts, und der Hoffnungsträger der Wettervorhersage hieß Robert FitzRoy (1805 - 1865). Dem Admiral der Britischen Marine, der als Kapitän des Forschungsschiffs HMS Beagle mit Charles Darwin zu dessen legendärer Forschungsreise aufbrach, wird die Erfindung des sogenannten Sturmglases zugeschrieben.
Bei diesem Sturmglas handelt es sich um einen abgeschlossenen Glaszylinder, in dem sich ein Gemisch aus Wasser, Campher, Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid befindet. Dieses Gemisch hat die Eigenschaft, dass sich in ihm zeitweise Kristalle unterschiedlicher Form und Größe ausbilden, die sich später wieder auflösen, bevor das Spiel von vorn beginnt. Die - zugegebenermaßen steile - These war nun die, dass aus der Struktur, Größe und Verteilung dieser Kristalle Rückschlüsse auf die zukünftige Wetterentwicklung gezogen werden können. So dachte man beispielsweise, dass
- eine klare Flüssigkeit sonniges und klares Wetter,
- kleine, schwebende Flöckchen feuchtes und nebliges Wetter,
- Kristalle auf dem Boden Frost
und
- Kristalle an der Oberfläche Sturm
bedeuten. Letzterem hat das Sturmglas seinen Namen zu verdanken. Und auch Gewitter sollte das Sturmglas vorhersagen können, nämlich wenn das Glas sich leicht trübt und kleine Kristallsterne zu erkennen sind.
Da wird der Meteorologe von heute blass vor Neid. Vollends die Tränen in die Augen treibt ihm aber die Aussage, dass die Vorhersagen des Sturmglases, und damit natürlich auch die Gewittervorhersagen, für die nächsten 24 bis 36 Stunden gelten sollten.
Aber, Sie ahnen es, das Sturmglas konnte sich nicht durchsetzen. Böse Zungen könnten behaupten, die psychoaktive Wirkung des Camphers, insbesondere die Verwirrtheit bei Überdosierung, könnten dem Erfinder des Sturmglases zugesetzt haben. Aber dies ist natürlich nicht belegt.
Der Wirbel um das Sturmglas, das heute gerne noch als Deko aufgestellt wird, hat sich also gelegt. Somit könnte man die Aufregung um das "Messgerät", in Abwandlung eines bekannten Sprichworts, als "Sturm im Sturmglas" bezeichnen.