Facebook Twitter
Drucken
20. Juni 2018 | Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

Sommerbeginn - astronomisch, meteorologisch und phänologisch?

Sommerbeginn - astronomisch, meteorologisch und phänologisch?

Datum 20.06.2018

Definitionen sowie eine "kalte Dusche" zum Sommeranfang! Was bedeutet Sommeranfang und wie präsentiert sich das Wetter? Nach über 4 Wochen Sommer im Frühling macht dieser nämlich genau zum Sommeranfang Pause.

Am morgigen Donnerstag, dem 21. Juni um 12:07 Uhr ist es wieder soweit. Die Sonne erreicht auf der Nordhalbkugel ihren höchsten Stand auf der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Damit wird der astronomische Sommerbeginn bezeichnet.


Zum Vergrößern bitte klicken
Zum Vergrößern bitte klicken


Die Sonne steht zu diesem Zeitpunkt an ihrem nördlichsten Punkt. Den damit erreichten Breitenkreis, der sich in etwa auf 23 Grad Nord (23°26'16" N) befindet, nennt man auch "nördlicher Wendekreis". Bis zu diesem Wendekreis bewegt sich die senkrechte Achse der Sonne während der gesamten ersten Jahreshälfte täglich ein Stück weiter nach Norden, was wir durch längere Tage und auch durch einen höheren Sonnenstand am Himmel beobachten können. Auf diesem Wendekreis gibt es genau einen Ort bzw. Punkt, wo die Sonne um 12:07 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit bzw. an dem besagten Punkt um 12 Uhr Ortszeit genau senkrecht über der Erde steht. Danach macht sich die Sonne von der Erde aus betrachtet wieder auf den Weg in Richtung Äquator, welchen sie am 22. September um 22:02 Uhr (Herbstanfang) überschreitet. Die hellen Tage werden nun also wieder kürzer und der Einfallwinkel der Sonne flacher.

Wir Meteorologen sind schon seit dem 1. Juni auf Sommer eingestellt. Dies hat allerdings rein statistische Gründe. Für die Auswertung von Wetter- oder Klimadaten und die Erstellung von Statistiken ist es, insbesondere im Computerzeitalter, einfacher, volle Monate zu betrachten. Daher wurden die Monate Juni, Juli und August aus wissenschaftlicher Sicht für die Meteorologie als Sommer definiert.

Der phänologische Sommerbeginn richtet sich entgegen nach der Flora in der Natur und deren Entwicklungsstand. Das "phänologische Jahr" wird grundsätzlich in 10 physiologisch-biologisch begründete "phänologische Jahreszeiten" eingeteilt, gekennzeichnet durch spezielle phänologische Indikatoren (Leitphasen). Der Sommer wird dabei nochmals in Frühsommer, Hochsommer und Spätsommer untergliedert. Mit dem Blühbeginn der Gräser setzt der Frühsommer ein. Auf den Wiesen blüht zuerst der Wiesenfuchsschwanz und auf den Getreidefeldern der Winterroggen. Blühen die Sommerlinden und die Kartoffeln, dann kommt der Hochsommer.

Mit dem Wissen der verschiedenen Definitionen stellt sich nun die Frage, warum der Sommer nicht genau um den Sonnenhöchststand (21.06.) herum definiert ist, an dem die Sonne den größten Energieeintrag auf die Nordhalbkugel abstrahlt. In diesem Sinne müssten die Monate Mai, Juni und Juli den Sommer bilden!?!

Wie oben beschrieben, umfasst der Sommer aus astronomischer Sicht allerdings denjenigen Zeitraum, in dem sich die Sonne vom nördlichen Wendepunkt zum Äquator zurückbewegt. Bei den Meteorologen wird auch nur ein kleiner Zeitraum vor Sonnenhöchststand dem Sommer zugesprochen. Die Pflanzenwelt ist komplett von meteorologischen Parametern wie Niederschlag, Temperatur und Sonnenstrahlung abhängig und kann in dieser Diskussion nicht berücksichtigt werden.

Für eine genauere Betrachtung muss man zusätzlich zur Sonneneinstrahlung auch die Speicherung und den Transport von Wärmeenergie betrachten. Die Atmosphäre und erst recht die Ozeane sind grundsätzlich träge Medien, bei denen alle thermodynamischen Vorgänge etwas langsamer ablaufen. Ab Frühlingsbeginn, wenn sich die senkrechte Achse der Sonne über den Äquator hinweg nach Norden bewegt, erwärmen sich die Ozeane und Landflächen auf der Nordhalbkugel indem sie die einstrahlende Sonnenenergie aufnehmen bzw. speichern. Da in nördlichen Breiten (>60°N) durch die Kugelform der Erde der Energieeintrag trotz höherem Sonnenstandes sehr gering bleibt, muss Wärme von Süden nach Norden transportiert werden. Dies übernehmen bis ca. 30° N hauptsächlich die Ozeane und deren Strömungen (z. B. Golfstrom). Nördlich von 30° N sind unsere wohlbekannten Tiefdruckgebiete für den Wärmetransport größtenteils verantwortlich. Bis also die maximale Energie bzw. Wärmemenge in den mittleren bzw. nördlichen Breiten erreicht wird, vergeht etwas Zeit. Aus diesem Grund treten im Normalfall die maximal möglichen Temperaturen für die mittleren und nördlichen Breiten, vom Sommeranfang zeitlich nach hinten verschoben, in den typischen Hochsommermonaten Juli und August auf.

Aufgrund günstiger Wetterlagen kam in diesem Jahr bereits im Frühling an vielen Tagen ein "Sommerfeeling" auf. Strömungen aus südlichen Gefilden führten schon seit Mitte Mai wiederholt warme bis sehr warme Luft nach Deutschland, die sich hierzulande durch die Sonneneinstrahlung, der nahe am Zenit stehenden Sonne weiter aufheizen konnte. Dies sorgte schließlich dafür, dass zum morgigen Sommeranfang nach Definition verbreitet schon mehr als 30 Sommertage mit Höchstwerten über 25 Grad in Deutschland registriert wurden.

Auch am heutigen Mittwoch stehen die Zeichen durch Hoch "Christof", einem Azorenkeil, der sich von Westeuropa bis in die Ukraine erstreckt und mit Christof über Polen und Tschechien sein Zentrum hat, noch voll auf Hochsommer. Dabei wird mit einer südwestlichen, im Süden teils auch östlichen Strömung, weiter Warmluft ins Land geführt. Diese heizt sich durch die hoch am Himmel stehende Sonne richtig auf, sodass im Südwesten Deutschlands Höchstwerte bis 32 Grad zu erwarten sind. Lediglich der äußerste Norden, rund um die Küstenabschnitte, bleibt weiter benachteiligt und bekommt von diesem Hochsommerfeeling kaum etwas ab. Bei durchziehenden Wolkenfeldern und auffrischendem Wind klettern die Temperaturen dort nur auf Maxima zwischen 20 und 25 Grad auf.

Doch bald heißt heißt es "auf Hochmut folgt der tiefe Fall"!

Eine große Wetterumstellung bringt Schwung in die Atmosphäre. Wie schon im gestrigen Thema des Tages beschrieben, folgt auf den "One Day Summer" mit teils heißen Temperaturen über 30 Grad, nach einem Temperatursturz um 10 bis 15 Grad vorübergehend ein eher herbstlicher Witterungsabschnitt!

Bereits am morgigen Donnerstag sowie in der Nacht auf Freitag macht sich Tief "Cathy" mit Kern über dem südlichen Skandinavien und Dänemark bemerkbar. Im Zusammenspiel mit dem Hoch "Daryl", das langsam den Schwerpunkt zu den Britischen Inseln verlagert, wird Luft polaren Ursprungs angesaugt und mit einer auf Nordwest drehenden Strömung über die Nordsee hinweg nach Deutschland transportiert.

Folgt also auf den Hochsommer im Frühling der Herbst im Sommer?

Diese Frage kann auf jeden Fall mit "Nein" beantwortet werden! Denn bei den herbstlichen Wetterbedingungen mit Regenschauern und Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad handelt es sich nur um ein vorübergehendes Intermezzo. Schon zur neuen Woche begeben sich die Temperaturen wieder auf Klettertour. Nach derzeitigem Stand soll sich erneut eine recht stabile Hochdruckwetterlage mit viel Sonnenschein einstellen. Dann steht Hoch "Daryl" im Mittelpunkt, das zwar demnächst für die herbstlichen Verhältnisse mitverantwortlich ist, ab Montag dann aber zunehmend wieder den Sommer bringt. Unsicher ist noch, ob wir "nur" mit sommerlichen Höchstwerten zwischen 23 und 28 Grad rechnen müssen oder ob die Sommerhitze mit Werten über 30 Grad ein Revival startet. Abhängig ist das jeweilige Szenario von der tatsächlichen Lage von "Daryl". Bleibt er mit seinem Zentrum westlich von Deutschland liegen, bringt er zwar Sonne pur, jedoch schafft es die starke, im Zenit stehende Junisonne nicht, die dann weiterhin einfließende Nordseeluft in den Bereich der 30-Grad-Marke zu heben. Sollte "Daryl" jedoch etwas weiter nach Osten wandern und schließlich z.B. mit seinem Zentrum über Deutschland ankern, könnte aus Süden auf seiner Westflanke zusätzlich wärmere Luft einfließen, sodass die Sonne die Maxima tatsächlich wieder in das "heiße Temperaturniveau" mit Werten über 30 Grad ansteigen lässt. Warten wir es also ab.

Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die aktuellen Computerberechnungen der vielfach ausgetrockneten und daher nach Wasser lechzenden Natur in Teilen Nord- und Ostdeutschlands leider nur wenig, ab Montag wahrscheinlich überhaupt keinen Regen mehr versprechen.



© Deutscher Wetterdienst