Jeder, der schon einmal ein schweres Gewitter erlebt hat, weiß um die Gefahr, die von einem solchen ausgeht. Häufig sind es die Begleiterscheinungen wie heftiger Starkregen, Orkanböen, großer Hagel oder Tornados, die enorme Schäden anrichten. Aber auch Blitzschlag kann ein Haus in Flammen aufgehen lassen oder sogar tödlich enden. Trotzdem faszinieren uns diese Gewalten der Natur immer wieder aufs Neue. Vor allem die mit hohen elektrischen Spannungen zusammenhängenden Leuchterscheinungen sind dabei besonders schön anzusehen.
Die Spannungen entstehen dabei durch Reibung: Im sogenannten Aufwindbereich der Gewitterwolke werden sehr viele Wassertröpfchen und Eiskristalle mit Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern in eisige Höhen, zum Teil über 10 km, katapultiert, um anschließend wieder in Richtung Erde zu fallen. Eine der gängigen Theorien besagt, dass diese auf ihrem Weg durch die Wolke aneinanderstoßen, wodurch es zu einer elektrischen Ladungstrennung innerhalb der Wolke kommt. So entstehen zum einen positive Ladungen, die sich im oberen Bereich der Wolke ansammeln, zum anderen konzentrieren sich negative Ladungen im unteren Teil. Die dadurch hervorgerufenen Spannungen sind dabei erheblich und können bis zu 1.000.000.000 Volt betragen. Sie sind sogar so groß, dass die negativ geladenen Teilchen am Erdboden, die der negativ geladenen Unterseite der Wolke nahe sind, abgestoßen werden (gleichpolige Ladungen stoßen sich ab), sodass sich diese Region am Boden positiv auflädt.
Übersteigt das durch Ladungstrennung erzeugte elektrische Feld am Erdboden (meist an spitzen Objekten oder Gegenständen) einen bestimmten Schwellwert (etwa 100.000 Volt pro Meter), kommt es zu schwachen bis mäßigen Entladungen, das heißt, Luftmoleküle werden ionisiert und beginnen, zu leuchten. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Elmsfeuer. Die Farbe des Elmsfeuers ist meist blau oder violett, was aus den chemischen Eigenschaften der Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle resultiert, aus denen sich die Erdatmosphäre hauptsächlich zusammensetzt.
Häufig tritt die Leuchterscheinung übrigens an hohen, spitzen Gegenständen oder Objekten wie Schiffsmasten oder Kirchtürmen auf. Aber auch an den Scheiben von Flugzeugcockpits oder an einem Gipfelkreuz im Gebirge lässt sich das Elmsfeuer zusammen mit einem charakteristischen Surren beobachten. Die Erklärung liegt in der Stärke des elektrischen Feldes: Diese ist umso größer, je dichter die elektrischen Feldlinien (Linien gleicher Feldstärke) beieinanderliegen. Auf einer elektrisch geladenen und leitenden Oberfläche stehen die Feldlinien senkrecht zur Oberfläche. Geht man aber von einer konvex gekrümmten Oberfläche (z. B. einer Spitze oder einer scharfen Kante) aus, wird das elektrische Feld stark deformiert, die Feldlinien liegen dichter beieinander und die Feldstärke ist deutlich größer. Das sind dann auch die Stellen, in die Blitze bevorzugt einschlagen.
Somit begünstigen Objekte oder Gegenstände wie Gipfelkreuze, Kirchtürme oder Schiffsmasten das Elmsfeuer bei aufziehenden Gewittern. Aber auch die Messinstrumente des Sonnblick Observatoriums am Gipfel des Hohen Sonnblicks auf 3106 Metern in den österreichischen Alpen blieben nicht vom Elmsfeuer verschont. Dort wurde das Phänomen am 28. November 2012 um 19 Uhr von einer Webcam aufgezeichnet, deren Aufnahmen uns freundlicherweise von der Seite http://www.foto-webcam.eu zur Verfügung gestellt wurden (siehe linke Abbildung unter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/6/26.html).
Im Englischen wird das Phänomen übrigens auch als "Saint Elmo's fire" bezeichnet, was Rückschlüsse auf die Namensgebung zulässt. Denn Seefahrer früherer Zeiten riefen den heiliggesprochenen Bischof Erasmus von Antiochia an (im italienischen auch Elmo genannt), wenn sie durch ein Gewitter in Not gerieten und das Ende ihrer Schiffsmasten in den blau-violetten Farben erleuchtet sahen (passend dazu die rechte Abbildung "Elmsfeuer an den Mastspitzen eines Schiffes auf dem Meer" aus der NOAA Photo Library).