Für eine Wetterprognose bedient man sich heutzutage sogenannter numerischer Wettervorhersagemodelle (NWV-Modelle). Dabei handelt es sich um komplexe Computerprogramme, welche die für das Wetter verantwortlichen physikalischen Prozesse in der Atmosphäre beschreiben. Diese NWV-Modelle berechnen die atmosphärischen Zustandsgrößen (z.B. Temperatur, Wind, Wasserdampf) auf einem dreidimensionalen Gitternetz. Man kann sich das wie ein riesiges weltumspannendes und mehrschichtiges Spinnennetz vorstellen. Je feiner die Maschenweite eines solchen Gitters ist, desto kleinräumigere atmosphärische Prozesse können mit dem Modell berücksichtigt werden und umso genauer wird letztendlich die Vorhersage. Besitzt das Modell beispielsweise eine horizontale Maschenweite von etwa 2 km - wie das vom Deutschen Wetterdienst (DWD) entwickelte COSMO-D2-Modell - so werden einzelne Schauer- und Gewitterzellen mit einem Durchmesser von etwa 10 km zumindest teilweise aufgelöst. Bei einer Maschenweite von mehreren Dutzenden Kilometern würde hingegen das Gewitter buchstäblich durchs Netz fallen und kann daher auch nicht explizit beschrieben werden.
Im Thema des Tages vom 10. Mai (siehe erster Link) wurde gezeigt, dass für eine 2-Tages-Vorhersage mit dem COSMO-D2-Modell für ein Gebiet in der Größenordnung von Deutschland bereits Billionen an Rechnungen durchgeführt werden müssen. Man kann sich leicht ausmalen, dass man nicht den ganzen Globus mit einem derart feinen Gitter umspannen kann. Deshalb rechnet der DWD das COSMO-D2 auch nur auf einem relativ kleinen Gebiet von etwa 1400 km x 1600 km. Man bezeichnet ein solches Modell daher als Ausschnittsmodell.
Das Ausschnittsmodell alleine reicht aber für eine Wettervorhersage für Deutschland nicht aus. Die Entstehung von Hoch- und Tiefdruckgebieten, die den Wettercharakter maßgeblich bestimmen, wird durch großräumige Strömungen in der Atmosphäre rund um den Globus beeinflusst. Man muss also die Luftbewegungen auf der ganzen Welt kennen, um das Wetter für eine bestimmte Region prognostizieren zu können. Der US-amerikanische Meteorologe Edward N. Lorenz erklärte dazu im Jahre 1972, dass praktisch der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien in irgendeiner Weise auch mit einem zukünftigen Tornado in Texas zusammenhängt. Man bezeichnet diese Theorie daher als "Schmetterlingseffekt".
Für ein Ausschnittsmodell ist es also wichtig, welche Temperatur und Feuchtigkeit mit welcher Windgeschwindigkeit am Rand in das Modellgebiet hineinströmt und an anderer Stelle wieder das Gebiet verlässt. Man bezeichnet diese für das Modell essentiellen Informationen als Randbedingungen. Diese werden von einem sogenannten Globalmodell zur Verfügung gestellt. Der DWD verwendet für eine weltweite Wettervorhersage das ICON (ICosahedral NOnhydrostatic) Modell (siehe zweiter Link). Wie der Name bereits sagt, benutzt das ICON-Modell eine Ikosaeder-Gitterstruktur. Dabei handelt es sich um eine Art Dreiecksgitter, welches die Welt umspannt (siehe Abbildung). Aktuell besitzt das ICON-Modell eine Maschenweite von etwa 13 km, womit die Atmosphäre mit 2.949.120 Dreiecken mit einer Fläche von je 173 Quadratkilometern beschrieben wird. Mit insgesamt 90 vertikalen Schichten besteht das Modell somit aus etwa 265 Millionen Gitterpunkten. Alle Modellvariablen wie Luftdichte, Temperatur, Wind, Wasserdampf, Wolkenwasser, Wolkeneis sowie Regen- und Schneegehalt sind als Mittelwerte über die einzelnen Gitterflächen anzusehen.
ICON wird viermal am Tag gerechnet. Dazu benötigt man modernste Hochleistungsrechner, um in der nötigen Schnelligkeit die Modellsimulation durchführen zu können und um nicht erst fertig zu werden, wenn das vorhergesagte Wetter bereits in der Vergangenheit liegt. Je Vorhersagetag benötigt das ICON auf dem Hochleistungsrechner des DWD etwa 8 Minuten Rechenzeit und erzeugt eine Datenmenge von rund 900 GB für eine 7-Tage-Prognose - eine enorme Datenmenge.
Doch nun zurück zur Deutschlandvorhersage. Um die Randbedingungen für das COSMO-D2 zu bekommen, werden die meteorologischen Größen vom groben ICON- auf das feine COSMO-D2-Gitter interpoliert. Man nennt diesen Prozess Modell-Nesting. Der Unterschied zwischen einer 2,2 km (COSMO-D2) und einer 13 km (ICON) Maschenweite ist jedoch recht groß, wodurch die Interpolation ziemlich ungenau werden würde. Deshalb führt man ein doppeltes Nesting durch. Das Globalmodell ICON liefert zunächst die Randwerte für das "Europamodell" ICON-EU mit einer Maschenweite von etwa 6,5 km (umgekehrt fließen auch die feineren Informationen aus ICON-EU wieder in die globale ICON-Vorhersage ein (Zwei-Wege-Kopplung)). ICON-EU stellt schließlich im zweiten Schritt die Randwerte für das COSMO-D2 bereit, womit sich der Kreis schließt. Eine numerische Wettervorhersage ist also ein ganz schön komplizierter und rechenintensiver Prozess!