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10. September 2018 | M.Sc. Met. Stefan Bach

Der pendelnde Herbstanfang

Der pendelnde Herbstanfang

Datum 10.09.2018

Aus meteorologischer und phänologischer Sicht haben wir schon Herbst. Der Astronomische Herbstanfang ist in gut zwei Wochen dran. Aber wussten Sie, dass dieser pendelt? Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.

Meteorologisch hat er schon am 1. September begonnen und wenn man sich die Vegetation draußen anschaut, weiß man: Der Herbst kommt. Schließlich konnte mit der Fruchtreife der Stieleiche schon vielerorts der Eintritt der phänologischen Jahreszeit "Vollherbst" festgestellt werden. Aus astronomischer Sicht beginnt der Herbst dieses Jahr am 23. September um 03:54 Uhr MESZ. Die beiden Tage, an denen der Herbst bzw. der Frühling beginnen, werden Äquinoktien (von lat. aequus "gleich" und nox "Nacht") genannt. Wie der Name schon verrät, dauern lichter Tag und die Nacht überall auf der Erde zumindest theoretisch gleich lang an.


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Am Tage des Äquinoktiums schneiden sich die Ekliptik der Sonne (deren scheinbare Umlaufbahn um die Erde) und der Himmelsäquator (Schnittlinie der Ebene des Erdäquators mit der gedachten Himmelskugel) im Herbst- bzw. Frühlingspunkt. Zum Äquinoktium steht die Sonne mittags senkrecht über dem Äquator (siehe Grafik (1)).

Wie bereits oben erwähnt, dauern überall auf der Erde Tag und Nacht theoretisch gleich lang an. Theoretisch deshalb, weil in der sphärischen Astronomie Himmelsobjekte vereinfacht betrachtet werden und die Ausdehnung der Sonnenscheibe ebenso wie Einflüsse der Atmosphäre unberücksichtigt bleiben. Da aber die ersten und letzten Sonnenstrahlen eines Tages vom oberen Rand der Sonnenscheibe ausgehen (und nicht von deren Mittelpunkt) und durch Brechung des Sonnenlichts in der Erdatmosphäre, dauern lichter Tag und Nacht zum Termin der Tagundnachtgleiche nicht exakt gleich lang an, sondern die Nacht ist um elf Minuten kürzer. Der Kalendertag, an dem tatsächlich zwölf Stunden lichter Tag und zwölf Stunden Nacht ist, wird Equinox genannt. Er liegt für den 50. Breitengrad (geografische Breite von Mainz) um den 17. März bzw. 26. September, ist also um ein paar Tage in Richtung Wintersonnenwende verschoben.

Früher konnte man in der Schule lernen, dass der Herbstanfang üblicherweise auf den 23. September fällt. Das stimmt zwar im aktuellen Jahr. Betrachtet man aber die zurückliegenden Jahre, lag der Zeitpunkt der Herbsttagundnachtgleiche mal am 22., mal am 23. September. Aber warum ist das so?

Nun, die Ursache ist darin zu finden, dass das Jahr nicht exakt 365 Tage hat, sondern im Mittel 365 Tage 5 Stunden 49 Minuten und 1 Sekunde. Das heißt also, dass jeder Herbstanfang auf eine um knapp sechs Stunden spätere Uhrzeit fällt als der vorhergehende. (Schwankungen um den Mittelwert herum werden dabei unter anderem durch von anderen Planeten beeinflusste Erdbahnstörungen verursacht.) Nach vier Jahren hätte sich also der Frühlingsanfang um knapp 24 Stunden nach hinten verschoben. Der julianische Kalender führte - wie bereits zuvor schon einmal ein ägyptischer Kalender - einen Schalttag alle vier Jahre ein. Dieser Schalttag (heutzutage der 29. Februar) hat aber ein Überkompensieren zur Folge, da man um 24 Stunden korrigiert, aber der Herbstanfang nur ca. 23 Stunden 16 Minuten (4 mal 5 Stunden 49 Minuten) "wandert". Das bewirkt, dass der Herbstanfang nach einem Schaltjahrzyklus von vier Jahren langsam zu früheren Zeitpunkten hin verschoben wird. Mit dem gregorianischen Kalender wird diese Überkompensation ausgeglichen, indem in drei von vier Hunderterjahren kein Schalttag eingeschoben wird. So war das Jahr 2000 ein Schaltjahr, 2100 bis 2300 sind jedoch keine.

Da jeder Schalttag eine Überkompensation bewirkt, die erst durch die Schaltregel für Hunderterjahre wieder korrigiert wird, läuft eine merkliche Verfrühung des Herbstanfangs (und natürlich auch der anderen Jahreszeitenanfänge) auf. Blickt man in die Historie und in die Zukunft, so kann man dies gut nachvollziehen: Anfang des 20. Jahrhunderts lag der Herbstbeginn in etwa gleich häufig am 23. oder 24. September (siehe Grafik (2)). Aber schon bald kam der 24. September als Herbstanfang immer seltener vor, zuletzt 1943 (unter der Annahme, es hätte damals schon die Mitteleuropäische Sommerzeit gegeben). Im Jahr 1984 begann der Herbst erstmals wieder an einem 22. September. Dieses Datum nimmt seither immer mehr an Häufigkeit zu: Im bisherigen Jahrhundert lag der Herbstanfang in sieben von 18 Fällen am 22. September. Das nächste Mal wird dies im Schaltjahr 2020 der Fall sein. Vorerst letztmalig wird der Herbst im Jahre 2067 an einem 23. September beginnen - und das nur unter der Annahme, dass es die Sommerzeit dann noch gibt, Beginn ist nämlich um 00:20 Uhr MESZ. Anderenfalls findet der vorerst letzte 23er-Herbstbeginn im Jahr 2063 (um 01:07 Uhr MESZ/00:07 Uhr MEZ) statt. Wegen des im Jahre 2100 ausfallenden Schalttages (siehe oben) wird der Herbstanfang zu Beginn des 22. Jahrhunderts wieder zwischen dem 22. und 23. September pendeln.



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