Ab dem heutigen Samstag öffnet der Himmel über weiten Teilen Italiens sowie dem südöstlichen Zipfel von Frankreich seine Schleusen und flutet die genannten Regionen.
Wie so häufig in den letzten Monaten und Jahren stellt sich wieder ein meridionales Strömungsmuster über Europa ein. Während sich auf dem Atlantik ein kräftiges Hoch aufplustert und bis nach Spitzbergen ausdehnt, macht sich von Nordwestrussland bis nach Nordafrika hochreichend tiefer Luftdruck breit. Daraus resultiert schließlich über dem Atlantik auf der Vorderseite des Hochs eine nördliche Strömung. Dagegen stellt sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Russland eine stramme südwestliche Grundströmung ein.
Für den Mittelmeerraum steht dabei der bis in große Höhen reichende Tiefdruckkomplex über der Westküste Spaniens sowie den Balearen im Fokus, der sich in den nächsten Tagen allmählich nordwärts über die Schweiz hinweg bis in die Nordsee verlagert. Auf dessen Ostflanke strömt die Luft aus südwestlichen bis südlichen Richtungen vom Mittelmeer direkt nach Italien. Für die heftigen und teils länger andauernden Regenfälle dort sind dabei gleich mehrere Faktoren und Prozesse verantwortlich.
Eine wesentliche Voraussetzung für heftigen Starkregen ist der Flüssigwassergehalt einer Wolke. Umso wärmer nun die Luft ist, desto mehr Wasser kann sie in Form von Wasserdampf bzw. Wolkentröpfchen binden. Über dem westlichen und mittleren Mittelmeer findet die Luft diesbezüglich derzeit sehr gute Bedingungen vor. Bei Oberflächenwassertemperaturen von 20 bis 23 Grad kann die Luft von unten ordentlich erwärmt und gleichzeitig mit Feuchte angereichert werden. Nun muss nur noch der Stark- bzw. Dauerregen ausgelöst werden. Dazu werden Hebungsprozesse, also aufsteigende Luftmassen, benötigt.
Aufsteigende Luftmassen sind entweder in dynamischen, diabatischen oder orographischen Prozessen begründet. Bei einem diabatischen Hebungsprozess liegt zwischen warmen bodennahen und kalten höheren Luftschichten eine größere Temperaturdifferenz vor, sodass Umlagerungsbewegungen einsetzen. Die warme bodennahe Luft steigt auf und die kältere Höhenluft sinkt ab. Je größer die Temperaturunterschiede, desto stärker das Aufsteigen der Luft (Hebung).
Dynamische Hebungsprozesse sind da wesentlich komplexer. Auf der Vorderseite eines Höhentiefs liegen im Normalfall divergente, also auseinanderlaufende Luftbewegungen vor, sodass Luft von tiefer liegenden Luftschichten nach oben nachströmen muss. Je stärker die Divergenz der Höhenströmung, desto mehr Luft muss von unten nachgeführt werden. Weitere dynamische Hebungsprozesse gibt es an den sogenannten Warm- und Kaltfronten. Während sich an einer Warmfront die mildere Luft über die kühlere Luft schiebt und so typischen Landregen auslöst, ist eine Kaltfront durch konvektive Wettererscheinungen wie Schauer und Gewitter geprägt. Auch hier gilt, je größer die Temperaturunterschiede der aufeinander treffenden Luftmassen, desto stärker die Hebung.
Den dritten Hebungsprozess beschreibt das orographisch bedingte Aufsteigen von Luftmassen an Gebirgen. Strömt die Luft gegen einen Berg wird sie gezwungen aufzusteigen, um das Hindernis zu überwinden. Natürlich kann die Luft auch um das Hindernis herumfließen, bei der Größe der Alpen ist dies aber kaum möglich, sodass meist nur der Weg über die Alpengipfel bleibt. Umso stärker der Wind gegen das orographische Hindernis strömt, desto kräftiger ist auch die erzwungene Hebung.
Egal, wie nun die Luft aufsteigt, durch die Abkühlung der Luft mit der Höhe kondensiert der Wasserdampf zu kleinen Wolkentröpfchen und fällt schließlich als Regen aus der Wolke hinaus zum Boden. Wie groß nun die Tropfen werden, ist maßgeblich von der Stärke der Aufsteigbewegung der Luft (Hebung) abhängig. Und da liefert die Umsetzung der sogenannten latenten Energie einen wesentlichen Beitrag (siehe künftiges Thema des Tages vom Mittwoch den 31. Oktober). Bei der Kondensation von Wasserdampf in Wolkentröpfchen wird Energie freigesetzt, die als zusätzlicher Sprit für die Hebungsprozesse dient.
Über dem mittleren Mittelmeer und somit auch weiten Teilen Italiens kommen gleich alle Prozesse zusammen. Einerseits presst die stramme südwestliche bis südliche Strömung die Luft vom Meer auf das Land und dann gegen die Apenninen sowie die Alpen. Entsprechend muss an der Küste mit einer Niederschlagsverstärkung sowie an den Alpen mit dem Einsetzen kräftiger, länger andauernder Niederschläge gerechnet werden. Gleichzeitig entstehen durch die beschriebenen dynamischen Hebungsprozesse sowie einem guten Entwicklungspotential großräumige Gewittercluster, die sich von den Balearen über Sardinien und Korsika bis nach Italien ziehen und heftigen Starkregen bringen.
Am heutigen Samstag sollen demnach an der Riviera, den Apenninen und an der Alpensüdseite schon 24-stündige Regenmengen zwischen 30 und 80, exponiert durch Alpenstau auch bis 150 mm fallen. Zum Sonntag sollen sich die Niederschläge nochmals intensivieren. Über 24 Stunden werden demnach bis Montagmorgen an der Westküste Italiens und an den Apenninen sowie an der Küste der Balkanstaaten 30 bis 120, örtlich bis 180 mm erwartet. An den Alpen sind im gleichen Zeitraum 40 bis 140 mm, exponiert bis 200 mm möglich. Am Montag ist noch keine Ende in Sicht. In den beschriebenen Regionen Italiens und des Balkans werden nochmals 40 bis 140 mm, exponiert auch bis 200 mm in 24 Stunden prognostiziert. Über drei Tage hinweg sollen somit bevorzugt an den Westküsten sowie den Südwest- bzw. Südstaulagen der Berge Regenmengen verbreitet zwischen 100 und 300 mm, an den Alpen lokal bis 500 mm oder mehr niedergehen (vgl. Graphik). Eine zusätzliche Gefahr geht dabei von den Gewitterclustern aus, die einen Großteil der Niederschläge in kurzer Zeit abladen können. So werden 100 mm oder mehr in wenigen Stunden keine Seltenheit sein.