Es ist Mittwoch der 09.01.2019 am Nachmittag in Longyearbyen, Spitzbergen: Der "Sysselmann" (Gouverneur der arktischen Inselgruppe, Repräsentant der norwegischen Regierung und gleichzeitig Polizeichef) trifft die Entscheidung, einige Bereiche der Inselhauptstadt Longyearbyen (Lia und Nybyen, wo viele Studenten wohnen) mit über 100 Menschen zu evakuieren und für Fußgänger-, Auto- und Schneescooterverkehr ab Donnerstagmorgen zu sperren. Der Grund: Das Norwegische Meteorologische Institut hat eine Warnung vor starkem Sturm mit Böen bis 45 m/s (=162 km/h) für Nordenskiöldland (Halbinsel auf Spitzbergen, an dessen Nordküste die größten bewohnten Orte Spitzbergens Longyearbyen und Barentsburg liegen) herausgegeben. Zudem hat die Lawinengefahr Kategorie 4 (hoch) erreicht. Die Bewohner werden gewarnt, dass durch den starken Wind gefährliche Situationen entstehen, Gegenstände umherfliegen und Gebäude beschädigt werden könnten. Außerdem müsse mit sehr geringen Sichtweiten gerechnet werden. Deshalb empfiehlt der "Chef" der Insel den Bewohnern, sich im Innern aufzuhalten.
Lavtrykket som gir mye vind på #Svalbard og #NordNorge er på vei østover mot Barentshavet. Vinden kommer derfor til å øke her utover dagen. pic.twitter.com/eoS4Y3ntbP
— Meteorologene (@Meteorologene) 10. Januar 2019
Dass diese Vorsichtsmaßnahmen gerechtfertigt waren, zeigt sich nun im Nachhinein. Ein schweres Sturmtief (getauft auf DONALD) zog am Donnerstag mit einem gemessenen Kerndruck von 951 hPa vom Europäischen Nordmeer zur Barentsee, Spitzbergen befand sich also auf der Nordflanke des Tiefs. Bereits am frühen Morgen wurden viele Bewohner sicherlich schon durch ein Rappeln der Fensterläden geweckt, als die ersten Sturmböen registriert wurden (um 06 Uhr bereits die erste orkanartige Böe in Hornsund, im Süden des Archipels). Pünktlich zur Mittagszeit hat auch die Messstation Isfjord Radio, am Eingang des Isfjords (an dem auch die Hauptstadt Longyearbyen liegt) eine orkanartige Böe mit 108 km/h gemessen, während im Süden der Inselgruppe der Wind schon mit voller Orkanstärke (145 km/h) blies. Dann ging es stetig aufwärts. Die maximal gemessenen Windböen: In Hornsund 168 km/h (um 23 Uhr), am Isfjord Radio 147 km/h und in Longyearbyen selbst 115 km/h.
Die Auswirkungen waren trotz der starken Böen (vielleicht auch wegen der getroffenen Vorkehrungen) überschaubar. Am gestrigen Freitag haben sich Experten der Norwegischen Direktion für Wasserressourcen und Energie vor Ort ein Bild der Lage gemacht und in Absprache mit dem nationalen Wetterdienst entschied der Sysselmann daraufhin, dass die evakuierten Menschen wieder in ihre Häuser können. Lediglich in einem kleinen Bereich bleiben Straßensperrungen wegen Lawinengefahr vorerst weiterhin bestehen.