9. Juni 2014 - diesen Tag werden viele Mitbürger im Westen unseres Landes so schnell nicht mehr vergessen. Auch der Autor dieses Rückblicks kann sich noch sehr gut an diesen Tag erinnern. Damals war ich noch Doktorand an der Universität Bonn, war zu dieser Zeit aber bei meiner Familie zu Besuch im fränkischen Bamberg. Es sollte dort für Anfang Juni mit über 35 Grad der bisher heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1881 werden und es schien von früh bis spät die Sonne. Nach einem ausgedehnten Grillabend staunte ich spätabends beim Blick auf die DWD-Warnkarte nicht schlecht, als weite Teile NRWs lila eingefärbt waren (höchste Unwetterwarnstufe). Beim Betrachten der Regenradarbilder wurde mir aber schnell klar, warum die Warnmeteorologen zu diesem drastischen Schritt gezwungen wurden.
Was ereignete sich an diesem Tag? Eine extreme Hitzewelle erreichte am Pfingstmontag ihren Höhepunkt. Der Tag begann bundesweit mit viel Sonnenschein. Doch schon gegen Mittag entstand in der Jülicher Börde und der Kölner Bucht eine sehr heftige isolierte und rotierende Gewitterzelle, eine sogenannte Superzelle, die in Bonn Hagel bis 3 cm Durchmesser hervorbrachte. Zwei weitere ähnliche Superzellen bildeten sich am Nachmittag vom Niederrhein bis zum Münsterland sowie zwischen Arnsberg und Brilon. Sie sollten nur die Vorboten der eigentlichen Unwetterfront sein, zeigten aber bereits frühzeitig, welch hohes Unwetterpotential in der Atmosphäre vorhanden war. Am frühen Abend entwickelten sich nun über Nordfrankreich und Belgien neue Gewitter, die sich schnell zu einem mächtigen Gewitterkomplex vereinten. Es entstand ein sogenannter "mesoscale convective complex" (MCC). Dabei handelt es sich um ein riesiges Gewittersystem, dessen Wolkenschirm einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern aufweist (siehe linke Abbildung). Zuerst zog die bedrohlich schwarze Wolkenwand dieses MCCs auf den Westen von NRW zu. Dabei zuckten im Sekundentakt Blitze am Himmel und boten eine donnernde Lichtershow. Gegen 20 Uhr erreichte nun die eigentliche Gewitterlinie des MCCs den Großraum Aachen. Orkanböen um 130 km/h peitschten den Starkregen horizontal vor sich her, zahlreiche Bäume wurden entwurzelt oder knickten wie Streichhölzer um. Schon eine Stunde später (21 Uhr) erreichten die Unwetter mit zum Teil extremen Orkanböen den Rhein und zogen im Eiltempo ostwärts über das Ruhrgebiet und das Sauerland hinweg, bis sie gegen 23 Uhr eine Linie Osnabrück - Bielefeld erreichten. Erst als die Gewitterfront nach Niedersachsen weiterzog, ging ihr ganz allmählich im wahrsten Sinne des Wortes die Puste aus.
Mit Ausnahme des Niederrheins und des nördlichen Münsterlands sorgten (schwere) Sturmböen in ganz NRW für beträchtliche Schäden. Besonders schlimm traf es neben dem Raum Aachen allerdings den Raum Düsseldorf und das Ruhrgebiet, wo eine Böenwalze mit extremen Orkanböen bis zu 150 km/h oder mehr immense Verwüstungen anrichtete. Am Düsseldorfer Flughafen wurde eine Böe von 144 km/h gemessen, wenig später erreichte die Böenwalze Essen, wo die Station Essen-Bredeney immerhin 125 km/h registrierte, was ebenso Orkanstärke (12 Beaufort) entspricht. Die in Aachen, Düsseldorf und Essen gemessenen (extremen) Orkanböen waren einmalig in den Sommermonaten Mai bis September seit Beginn der Aufzeichnungen für Windböen (siehe Diagramme). Verfolgt man die Zugbahn der Gewitterlinie anhand von Radarbildern, kann man die genannte Orkanspur (lila Bereich in rechter Abbildung) leicht erklären. Bei besonders intensiven Gewitterkomplexen wie dem hier beschriebenen Pfingstmontags-Unwetter kann ein sogenanntes Bogenecho ("bow echo") entstehen. Orkanböen lassen im Zentrum des Unwetterkomplexes die Gewitter schneller verlagern als an den weniger intensiven Rändern der Linie. Dadurch nimmt die zunächst geradlinige Gewitterfront mehr und mehr die Form eines Bogens oder gar eines Bumerangs an (siehe linke Abbildung). Im Bereich des Scheitels dieses Bogenechos treten demnach die höchsten Windgeschwindigkeiten auf.
Trotz der gewaltigen Wucht schaffte es das Gewitterungetüm nicht, die Hitze aus Deutschland zu verdrängen. Erst zwei Tage später (11. Juni 2014) überquerte eine Kaltfront Deutschland und leitete einen weniger warmen Witterungsabschnitt ein.
Im zweiten Teil können Sie am kommenden Pfingstsonntag (dem tatsächlichen Jahrestag) erfahren, welche immensen Auswirkungen dieses Pfingstmontags-Unwetter auf die Infrastruktur hatte und welche meteorologischen Voraussetzungen dieses ungewöhnliche Wetterereignis auslösten.