Wenn man sich derzeit die Großwetterlage über Europa und dem Atlantik so anschaut, könnte jemand auf die Idee kommen "Und täglich grüßt das Murmeltier" zu sagen. Aber ganz im Ernst. Momentan erleben wir eine recht eingefahrene Wetterlage, geprägt durch die stationäre Lage von Hoch- und Tiefdruckgebieten über Europa und dem Atlantik. Das heißt, dass sich die Druckgebilde entweder nur wenig verlagern oder sich ständig an ähnlicher Stelle neu regenerieren.
Aber woran liegt das? Ein Grund hierfür ist sicher dem Umstand geschuldet, dass die in unseren Breiten vorherrschende westliche Strömung gestört ist. Diese westliche Strömung stellt sich ein, wenn warme Luft vom Äquator polwärts strömt und umgekehrt kalte Luft von den Polen südwärts vordringt. Dieser Luftaustausch kann aufgrund der Erddrehung nicht direkt erfolgen, sondern nur in Etappen und sorgt andererseits auch für die Ausbildung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Zwischen hohem Luftdruck im Süden (hier Azorenhoch) und tiefem Luftdruck im Norden (hier Islandtief) baut sich demnach ein Temperatur- und Druckgradient auf, und zwar sowohl am Boden als auch in der Höhe. Diese Gradienten nehmen mit der Höhe weiter zu und erzeugen so den so genannten Jetstream mit extrem hohen Windgeschwindigkeiten, der im Mittel von West nach Ost orientiert ist (wie der Impuls der Erddrehung). Das führt in unseren Breiten zu den so genannten Westlagen. Genau dieser Temperaturunterschied zwischen Süd und Nord nimmt aber aufgrund der mittlerweile auch in klimatologischen Zeiträumen spürbaren Erderwärmung ab, und das vor allem deshalb, weil sich das Arktisumfeld deutlich schneller erwärmt. Das hat grob gesagt und unter Vernachlässigung von Zusatzeffekten zur Folge, dass der Luftmassenaustausch gemittelt und in unseren Breitengraden eher meridional und nicht zonal erfolgt. Dies führt zu einer langsameren Verlagerung der Druckgebilde von West nach Ost bzw. zu sich ständig neu generierenden Wetterlagen (siehe auch Neuschnee in den Alpen im letzten Winter teils über 2 bis 3 m in relativ kurzer Zeit durch andauernde Staulagen).
Wer oder was ist noch dafür verantwortlich? Ja, der folgende Zusammenhang ist ähnlich zu betrachten im klimatologischen Aspekt, aber mit unmittelbaren Auswirkungen auf unser tägliches Wetter: Es geht um die positiven Anomalien, also die positiven Abweichungen der Meeresoberflächentemperaturen von den Normalwerten. Wenn man sich die aktuellen Anomalien anschaut, z.B. über dem Atlantik (siehe Grafik: http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/analysis_monitoring/lanina/enso) und diese mit den momentan herrschenden Druckverhältnissen vergleicht, sieht man sofort eine relativ gute Übereinstimmung mit der Lage der Druckgebilde über Europa und dem Atlantik. Da haben wir einerseits positive Temperaturabweichungen über dem Ostatlantik und das korrespondierende und lagestabile Hochdruckgebiet über Skandinavien bzw. dem nordwestlichen Russland. Andererseits haben wir auch deutlich positive Abweichungen in einem Streifen von Ostgrönland bis zu den Azoren, wo auch hoher Luftdruck überwiegt. Beide Anomalien sind besonders in höheren Luftschichten stark ausgeprägt. Diese beiden Anomalien erzeugen ein so genanntes Blocking, das heißt, sie verhindern die West-Ostverlagerung von Druckgebilden und stellen daher physikalisch eine stehende Welle dar. Stationär oder stehend deshalb, weil sich zwar die Wellenphase verlagert, aber die Welle selbst nicht. Von daher regeneriert sich eine ähnliche Wetterlage beliebig oft. Das Problem dabei ist, dass diese Störungen (oder die Anomalien von Druck und Temperatur) bis hoch in die obere Troposphäre und die untere Stratosphäre übertragen werden und damit die einmal eingefahrenen Druckverhältnisse durch entsprechende Interaktionen und Rückkopplungen noch stabiler werden lassen.
Wie geht es jetzt weiter? Die beschriebenen Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen sind relativ persistent. Von daher könnte man erwarten, dass sich die Großwetterlage nicht wesentlich ändert. Sicher sind kleine Verschiebungen der Phase, in der wir uns derzeit befinden möglich. Das könnte einerseits auch mal ruhiges und recht warmes bis heißes Hochdruckwetter bedeuten, andererseits könnten atlantische Tiefdrucksysteme mit ihren Fronten auch mal Mitteleuropa überqueren und für kühlere und nasse Verhältnisse sorgen. Aber, durch die jetzige Lage Mitteleuropas im Grenzbereich zwischen heißer Subtropikluft und kühlerer atlantischer Meeresluft sind Unwetterlagen weiterhin auf dem Programm. Eine durchgreifende Zonalisierung der Strömung, d.h. Westwetterlagen, wie sie von einigen Modelläufen zum Ende der nächsten Woche gerechnet werden, erscheint aus den oben genannten Gründen nicht sehr wahrscheinlich.