Nachdem am 15. Mai die Pazifische Hurrikansaison begann und bisher unspektakulär ruhig verlief, steht seit dem 1. Juni auch die Nordatlantische Hurrikansaison in ihren Startlöchern. Prognosen diverser Institutionen deuten eine normale bis leicht überdurchschnittliche Saison an. Dabei erwartet die "National Oceanic and Atmospheric Administration" (NOAA) mit rund 40 % eine normale und mit jeweils 30 % eine etwas über- oder unterdurchschnittliche Saison. Insgesamt sollen im Nordatlantik, der Karibik und dem Golf von Mexiko 9 bis 15 benannte Systeme, vier bis acht Hurrikans und zwei bis vier sogenannte "major" Hurrikans ihr Unwesen treiben. Benannt werden sie, sobald die mittlere Windgeschwindigkeit um oder über 61 km/h liegt. Die Stufe "major" wird erreicht, wenn der Hurrikan Mittelwinde von mehr als 180 km/h aufweist, was der Kategorie drei, vier oder fünf auf der fünfstufigen Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala entspricht.
Aber nicht die Aktivität der diesjährigen Hurrikansaison steht im Mittelpunkt des heutigen "Thema des Tages", sondern eher die Frage, wo denn die Geburtsstätte dieser tropischen Systeme zu finden ist. Wie so oft in der Meteorologie gibt es zu dieser Frage mehrere Antwortmöglichkeiten, die jedoch teilweise sehr komplex sind und die Beitragslänge deutlich sprengen würden. Wir richten daher unseren Blick auf die sogenannten "African easterly waves" (AEWs), oder frei übersetzt: "Die von Afrika kommenden und nach Westen wandernden Wellen".
Nüchtern betrachtet passiert nicht mehr als dass der Luftdruck beim Durchzug einer solchen Welle vorübergehend fällt. Dabei sorgt der fallende Luftdruck für eine Richtungsänderung des Windes, denn dieser versucht die Ungleichgewichte z.B. beim Luftdruck auszugleichen. Dadurch entwickeln sich im Umfeld einer solchen Welle bodennah Winde, die zusammenströmen (Konvergenz) und die Luft zum Aufsteigen zwingen. Somit findet im Umfeld der Wellen Hebung statt, wodurch Wasserdampf aufsteigt, sich abkühlt und sich dadurch Wolken bilden, die sich wiederum je nach Stärke der Welle in kräftige Schauer und Gewitter weiterentwickeln können. Ein typisches Merkmal der meisten Wellen im Nordatlantik ist, dass die stärkste Konvergenz und Hebung auf der Rückseite der Welle zu finden ist. Somit muss also erst nach ihrem Durchzug mit Niederschlägen gerechnet werden.
Erwähnt werden sollte noch, dass diese Wellen zunächst sehr nah am Äquator auftreten, wo die ablenkende Corioliskraft noch kaum ihre Wirkung zeigen kann. Ziehen die Wellen jedoch im weiteren Verlauf allmählich nordwärts, kann die Corioliskraft (Rechtsablenkung auf der Nordhalbkugel) soweit zunehmen, dass sich die Schauer und Gewitter allmählich um ein Drehzentrum anordnen und sich manchmal in ein tropisches System umwandeln. Im Mittel entwickeln sich aus rund 60 % der Wellen tropische Systeme, allerdings liegt die Prozentzahl der Hurrikans mit 85 % deutlich höher, die das Stadium eines verheerenden "major" Hurrikan erreichen. Da verwundert es nicht, dass das Interesse über die Entstehung dieser Wellen sehr groß ist.
Über die Wellenbildung gibt es in der Literatur verschiedene Thesen und diese wissenschaftliche Thematik ist natürlich weiter Gegenstand intensiver Forschung. Diesem Text beigefügt ist unter a) eine Landkarte von Zentralafrika. Die Farben sollen die unterschiedliche Vegetationsdichte hervorheben. Man erkennt im Norden die trockene und heiße Wüstenregion und weiter südlich die feuchte und dauergrüne tropische Regenwaldregion.
Bilden sich nun über den unterschiedlichen Bergregionen (beispielhaft wurden zwei Regionen durch weiße Kreuze hervorgehoben) großräumige Gewitterherde, welche im AEJ eingebettet nach Westen ziehen, wandeln sich diese nicht selten zu AEWs um. Allerdings überlebt nicht jede Welle den Weg nach Westen. Das zeigt, dass die gesamte Thematik sehr komplex ist bzw. hier sehr vereinfacht dargestellt wurde und sicherlich auch bis heute noch immer nicht vollständig verstanden ist.
In b) ist ein Satellitenbild vom 18. August 2009 beigefügt, wo ein sich entwickelnder Gewittercluster, aber auch zwei AEWs zu sehen sind. Und was sich aus solch einer unscheinbaren Welle entwickeln kann ist ganz im Westen über dem offenen zentralen Nordatlantik in Form eines ausgewachsenen Tropensturms zu erkennen. In diesem Fall handelte es sich um den intensiven Hurrikan "Bill" (Kategorie 4).
Auch in diesem Jahr blicken die Meteorologen in der Karibik und entlang der nordamerikanischen Südküsten mit Sorgen nach Osten, wenn sich die Wellen auf den Weg nach Westen machen und im schlimmsten Fall die Metamorphose in einen ausgewachsenen Tropensturm vollziehen.