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21. August 2019 | Dr. rer. nat. Jens Bonewitz

Wenn Luft in die Tiefe stürzt

Wenn Luft in die Tiefe stürzt

Datum 21.08.2019

Spricht man über Gewitter, steht häufig der damit in Verbindung stehende Aufwind im Mittelpunkt, der die nötige Energie liefert. Aber da, wo Luft aufsteigt, muss diese an anderer Stelle natürlich auch wieder absinken. Dabei können mitunter Windgeschwindigkeiten auftreten, die ein Potenzial für verheerende Schäden aufweisen.

Die heftigen Gewitter vom letzten Sonntag sind noch in aller Munde. Es gab lokal signifikante Schäden an der technischen Infrastruktur, an Gebäuden und auch am Wald, wo z.B. im Kreis Offenbach viele Bäume schneisenförmig einfach umgeknickt wurden. In diesem Zusammenhang gab es Vermutungen über etwaige Tornados. Offiziell bestätigt wurde bisher keine Tornado-Meldung, aber auch ohne ein derartiges Szenario traten lokal Orkanböen über 120 km/h, vereinzelt auch bis zu 150 km/h auf.


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Wie kommen nun solche außergewöhnlichen Windspitzen zustande? Verantwortlich für diese extremen Windgeschwindigkeiten sind so genannte Downbursts, also abwärts gerichtete Winde, bei denen unter Umständen extrem hohe Windgeschwindigkeiten generiert werden. Die Voraussetzungen für deren Entstehung sind bei folgender Konstellation gegeben: Es muss sich zuvor ein entsprechend starker Aufwind (ausgedrückt durch den CAPE-Wert, also die konvektiv verfügbare potentielle Energie) entwickeln, damit die Konvektion (also das Aufsteigen von Luft) in Gang kommt. Das geschieht meist durch eine labil geschichtete Luftmasse, d.h. entweder durch Überhitzung der Luft in Bodennähe und Aufsteigen dieser dann leichteren Luft oder aber durch das Vorhandensein von relativ kühlerer Luft in höheren Luftschichten, wodurch die Luft auch zum Aufsteigen gezwungen wird. Beim Aufsteigen weist diese Luft einen Zugewinn an potentieller Energie auf, da diese sich vorübergehend gegen die Schwerkraft der Erde behaupten kann. Da aber die gesamte Energie und auch Masse physikalisch Erhaltungsgrößen darstellen, muss zum Ausgleich an anderer Stelle die Luft wieder absinken. Dabei wird die zuvor gewonnene potentielle Energie in kinetische, also Bewegungsenergie umgesetzt. Diese Bewegungsenergie, ausgedrückt durch die Fallgeschwindigkeit ist umso größer, je größer der negative Aufwind ist. Dieser Abwind wiederum ist umso größer, je kälter (und damit schwerer) die absinkende Luft im Vergleich zur normal temperierten Atmosphäre ist. Auch die Dichte und Form der Niederschlagsteilchen (dicke Regentropfen oder Hagel) kommt beschwerend hinzu. Damit verhält es sich genau umgekehrt zur Bedingung für das Aufsteigen von Luft, wo diese wärmer, also leichter sein muss als die Umgebungsluft.

Die Downbursts fallen also umso stärker aus, je schwerer das Luftpaket ist. Zudem wird beim Abwind Luft verdrängt, ähnlich wie wenn eine U-Bahn in die Station einfährt. Also auch die Massenverdrängung erzeugt Wind und ersetzt zudem die an anderer Stelle aufgestiegene Luft. Tja, die Natur mag eben Gleichgewichte, die kurz mal ausschwingen, sich dann aber rasch wieder einkriegen.

Zusätzlich verstärken kann sich ein Downburst auch dadurch, dass die bodennahe Schicht relativ trocken ist. Dann verdunstet nämlich ein Teil des mit Regen oder Hagel gesättigten Luftpakets. Für die Verdunstung wird aber der Umgebungsluft Wärme entzogen. Damit wird das herunterrauschende Luftpaket noch schwerer und die Abwindgeschwindigkeit noch größer. Rein energetisch betrachtet sind Abwinde mit Geschwindigkeiten von bis zu 50 m/s möglich. Das setzt allerdings voraus, dass keine thermischen oder Reibungsverluste auftreten. Thermisch in dem Sinne, dass durch Eintreten von wärmerer Umgebungsluft (Massemitführung oder Sogeffekt) der Abwind erwärmt und damit abgemildert wird. Zudem tritt durch das turbulente Aneinanderreiben der Luftpakete bei diesen intensiven Vertikalbewegungen Turbulenz auf. Turbulenz bedeutet Reibung und Reibung heißt ebenso Verlust an Bewegungsenergie.

Das Schadenspotenzial durch Downbursts wird einerseits durch die Fallwinde selbst erzeugt. Andererseits entsteht durch Verwirbelungen am Boden (gerade bei dichter Bebauung) lokal ein Unterdruck, der z.B. ganze Dächer abdecken kann. Zu guter Letzt erzeugt der Wind auch einen Staudruck, der mitunter Bäume schneisenförmig umlegt.

Abschließend lässt sich festhalten, dass am vergangenen Sonntag (18.08.2019) in Kümmersbrück eine Böe von 154 km/h gemessen wurde. Dort waren alle erwähnten Faktoren erfüllt, einschließlich der trockenen bodennahen Schicht. Die Abwindgeschwindigkeit sowie die dafür erforderliche Energie (den so genannten DCAPE oder auch konvektiv verfügbare potentielle Energie, die in kinetische Energie des Abwindes umgewandelt werden kann) kann man ziemlich genau ermitteln, und zwar anhand von Berechnungsformeln und Radiosondenaufstiegen, wobei man die dort dargestellte Temperaturschichtung in der Atmosphäre zu Hilfe nimmt.

Für Kümmersbrück ergaben sich aus dem Radiosondenaufstieg berechnete 1225 J/kg für den DCAPE. Werte über etwa 1200 J/kg weisen oftmals ein großes Schadenspotenzial auf. Zudem ergab sich aus dem DCAPE berechnet eine rein energetische Abwindgeschwindigkeit von w=49,49 m/s.



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