Dass sich die mediale Aufmerksamkeit im Hinblick auf Naturgefahren nicht zwingend an deren Schwere orientiert, ist nichts Neues. Gerade im Falle von tropischen Wirbelstürmen bekommen beispielsweise Hurrikane meist deutlich mehr "Sendezeit" als ihre Artverwandten über dem Westpazifik, die Taifune. So reifte in den letzten Tagen im Schatten der Berichterstattung rund um Hurrikan DORIAN der tropische Wirbelsturm FAXAI fast "unbemerkt" zu einem starken Taifun der zweithöchsten Kategorie 4 heran. Er traf gestern Abend (08.09.2019) mit voller Wucht auf Japan. Ausgerechnet die mit über 30 Millionen Einwohnern extrem bevölkerungsreiche Metropolregion Tokyo/Yokohama war direkt betroffen. FAXAI geht als einer der stärksten Taifune, die in Japan an Land gingen, in die Geschichtsbücher ein. In Bezug auf den Wind war FAXAI zumindest für die Metropole Tokyo/Yokohama der stärkste Taifun überhaupt.
FAXAIs Brutstätte sind die nordwest-pazifischen Gewässer knapp östlich der Datumslinie. Auf seiner west-nordwestlichen Zugbahn konnte sich FAXAI zwischen 29. August und 2. September über der verbreitet 1 bis 2 Grad zu warmen Meeresoberfläche zu einem tropischen Sturm intensivieren (mittlere Windgeschwindigkeit 62-88 km/h). Die atmosphärischen Bedingungen waren günstig, sodass er schon am 6. September Taifunstärke erreichte (>118 km/h). FAXAI drehte auf eine nordwestliche bis nördliche Zugbahn ein und schwang sich ausgerechnet kurz vor Erreichen des japanischen Archipels zu seinem Höhepunkt auf. Als Taifun der 4. Kategorie wies er einen minimalen Luftdruck von 955 hPa auf, was zu mittleren Windgeschwindigkeiten von 160 km/h und Böen bis 220 km/h führte.
Schon im Vorfeld warnte der japanische Wetterdienst insbesondere für Teile der Regionen Tokai und Kanto vor Orkanböen, sintflutartigen Regenfällen und hohem Wellengang an den Küsten. Neben großen Überflutungen wurden Erdrutschte befürchtet. Über zwei Millionen Menschen sollten sich auf eine Evakuierung vorbereiten, über 100.000 Haushalte mit mehr als 200.000 Menschen wurden im Vorfeld evakuiert.
Am gestrigen Abend, um ca. 19 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit, traf FAXAI mit im Vergleich zu seinem Höhepunkt kaum verminderter Stärke erstmals mit seinem Auge auf japanisches Festland. Dabei überquerte er zunächst die Miura-Halbinsel, um danach über die Sagami-Bucht hinweg gegen 21 Uhr den Großraum Yokohama/Tokyo anzusteuern. Aufgrund der Reibung der Landflächen schwächte sich FAXAI dann aber deutlich ab und verlagerte sich über die Präfektur Chiba und Ibaraki hinweg nach Nordosten. Heute Morgen (09.09.2019) liegt FAXAI als Taifun der 1. Kategorie mit Zentrum rund 200 km östlich der Küste und hat seinen unmittelbaren Einfluss auf Japan verloren.
Die stärksten Windgeschwindigkeiten traten - typisch für tropische Wirbelstürme - sehr kleinräumig und kurzzeitig in dem um das Auge des Sturms herumgewickelten Gewitterband (der sog. "eye wall") auf. Vor allem in den Präfekturen Kanagawa und Chiba (inklusive der Metropole Tokyo/Yokohama) sowie den vorgelagerten Inseln wurden extreme Orkanböen registriert. An den folgenden Stationen stellen die gemessen Böen jeweils einen neuen Rekord für die höchste Windgeschwindigkeit dar:
Kozushima 209 km/h Chiba (Chiba) 207 km/h Niijima 185 km/h Kisarazu (Chiba) 176 km/h Narita (Chiba) 165 km/h Haneda (Tokyo) 156 km/h
Heftige, gewittrige Starkregenfälle brachten insbesondere den Gebieten rund um die Bucht von Tokyo sowie dem Süden der Präfektur Chiba verbreitet 100 bis 200 l/qm, in der Spitze um 300 l/qm. In weniger als 12 Stunden fiel in einigen Regionen damit mehr Regen wie in Teilen Ostdeutschlands über das gesamte bisherige Jahr hinweg.
Oshima 308 l/qm (in 24 h) Miyakejima 199 l/qm Tateyama (Toyama) 193 l/qm Irozaki (Shizuoka) 184 l/qm Yokohama 178 l/qm Tokyo 128 l/qm
Orkanböen und Starkregen setzten der Infrastruktur in den betroffenen Regionen ordentlich zu. Nach Angaben mehrerer unabhängiger Medien waren heute Morgen über eine Million Haushalte ohne Strom, Nah- und Fernverkehr sowie der Flugbetrieb kamen zeitweise zum Erliegen. Die gute Nachricht: Bisher sind keine Todesfälle zu beklagen, was angesichts der Stärke des Taifuns ein kleines Wunder darstellt.