Grenzschichtproblematik. Das Wort fällt aktuell oft, wenn sich Meteorologen über das Wetter in Deutschland unterhalten. Gemeint ist damit, dass in der momentanen Wettersituation die entscheidenden Abläufe des Wetters in den untersten 1,5 km stattfinden.
Dieser Bereich der Atmosphäre wird nämlich als Grenzschicht bezeichnet (https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html, siehe dort Planetarische Grenzschicht). Dabei dominieren die Prozesse in der Grenzschicht genau dann das allgemeine Wettergeschehen, wenn die Wetterlage ruhig ist, das heißt u.a. geringe Luftdruckgegensätze herrschen und wenig Hebungsantrieb und in der Folge ein nur schwach ausgeprägter vertikaler Lufttransport zu beobachten ist. Letzteres wird häufig dadurch verursacht bzw. verstärkt, dass sich warme Luft in der Höhe über kalte Luft am Boden schiebt. Eine solche Konstellation wird als "Inversion" bezeichnet.
Geringe Luftdruckgegensätze und wenig Hebungsantrieb, das klingt nicht wirklich spektakulär. Und in der Tat: Das "Große", Faszinierende und Dramatische fehlt dem Wetter aktuell. Aber die Tatsache, dass das Wetter nicht kritisch ist, heißt nicht, dass die Vorhersage nicht knifflig wäre. Denn die Tücke liegt im Detail.
Der wesentliche Grund dafür ist die Luftfeuchtigkeit. Da der Eintrag von Feuchtigkeit in die Atmosphäre praktisch ausschließlich an oder in der Nähe der Erdoberfläche stattfindet, diese Feuchtigkeit aber durch den fehlenden Luftmassenaustausch nicht wegtransportiert werden kann, reichert sie sich in der Grenzschicht an. In der Folge nimmt die Nebelneigung zu, insbesondere in den Übergangsjahreszeiten. Darauf deutet z. B. auch die alte Bezeichnung "Nebelung" für den November hin.
Aber leider bedeutet "viel Feuchte" nicht automatisch Nebel. Hier gilt es, auch auf andere Faktoren zu achten - wie z.B. den Wind. Denn wenn dieser - trotz der insgesamt geringen Luftdruckgegensätze - zu stark ist, sorgt die in der Folge auftretende Turbulenz für ein Auflösen des Nebels (oder der Wind verhindert dessen Bildung). Auch die Bewölkung ist ein entscheidender Faktor, denn bei klarem oder gering bewölktem Himmel kühlt die Grundschicht nachts stärker aus. In der Folge steigt die relativ Feuchte der Luft, was wiederum die Nebelwahrscheinlichkeit erhöht. Als Letztes in dieser kleinen Liste sei noch möglicher Niederschlag erwähnt. Der kritische Leser könnte anmerken, dass geringer Hebungsantrieb nicht wirklich für Regen oder gar Schnee spricht. Stimmt! Aber es kommt nicht selten vor, dass Nebel- oder Hochnebelfelder durch geringe Hebungsimpulse etwas angehoben werden, was schon ausreichen kann, um Nieselregen zu produzieren - der dann die feinen Nebeltröpfchen aus der Grundschicht auswaschen kann.
Dazu kommt, dass bei der aktuellen Wetterlage die Temperaturen nachts durchaus schon mal in den leichten Frostbereich sinken. Das bedeutet, dass sich potentieller Nebel in Form von Reif ablagern kann, und in der Folge besteht Glättegefahr.
Und wann ist wieder "Schicht" mit der Grenzschichtproblematik? In der kommenden Woche deutet sich Schritt für Schritt eine Umstellung der Wetterlage an. Dabei wird am Montag die aktuell noch verbreitet vorhandene Inversion von Westen her abgebaut. Doch wer auf schönes Wetter hofft wird wohl enttäuscht. Aktuell sagen die Modelle einen eher regnerischen Dienstag voraus.