Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich monatelang bei absoluter Dunkelheit (während der Polarnacht) und fernab jeglicher Zivilisation unweit des Nordpols und driften mit dem Meereis durch die Arktis. Was jenseits unserer Vorstellungskraft sein mag, erleben gerade tatsächlich einige Forscher. Die Rede ist von der MOSAiC-Expedition, eine einjährige Messkampagne unter Leitung des deutschen Alfred-Wegener-Instituts (AWI). MOSAiC steht hierbei für "Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate", zu Deutsch "Multidisziplinäres Driftobservatorium zur Untersuchung des Arktisklimas". Man macht sich die Meereisdrift zu Nutze, die es ermöglicht, dass die Forscher auch im Winter in die von Meereis bedeckte Zentralarktis gelangen können, um dort umfassende Messungen durchzuführen.
Obwohl das deutsche Forschungsschiff schon am 20. September aufgebrochen und seit mehr als zwei Monaten an einer Eisscholle in der Arktis festgefroren ist, erhielten deutsche Medien erst vergangenes Wochenende die ersten Filmaufnahmen, sodass erstmals die breite Öffentlichkeit Einblicke in diese bisher einmalige Forschungskampagne bekommen können. Aber warum hat das so lange gedauert? Die Expedition befindet sich so weit im Norden, dass Satellitenfernsehen nicht mehr möglich ist. Das Filmmaterial musste daher mittels einer aufwändigen zweimonatigen Fahrt mit dem Eisbrecher nach Deutschland gebracht werden. Allein daran erkennt man, in welch extremen Gefilden die Forschungen durchgeführt werden.
Aber warum begibt man sich überhaupt zum Messen und Forschen in derartige Regionen? In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Arktis besonders schnell erwärmt, was zu einem deutlichen Rückgang des arktischen Meereises geführt hat. Damit stellt die Arktis eine Schlüsselrolle in der Veränderung des zukünftigen Klimas dar. Gerade im Winter wissen wir bisher aber noch sehr wenig über die Arktis, da man sie zu dieser Jahreszeit nur sehr schwer erreichen kann und daher bis jetzt kaum Messungen existieren. Das soll sich mit der MOSAiC-Expedition ändern. Wissenschaftler aus 19 Nationen und 82 Forschungseinrichtungen erkunden ein Jahr lang die Arktis unter der Führung des deutschen Alfred-Wegener-Instituts. Insgesamt werden während der Expedition über mehrere Zeitabschnitte verteilt mehr als 600 Personen in der zentralen Arktis tätig sein. Die Bandbreite der Forschung reicht von der Atmosphärenforschung über physikalische Meereisforschung und Ozeanographie bis hin zur biologischen und biochemischen Forschung.
Die Kampagne soll einen Durchbruch im Verständnis des arktischen Klimasystems bringen. Dies ist von großer Bedeutung, da die Arktis eng an das Wettergeschehen in unseren Breiten gekoppelt ist. "Wir werden unser Klima nicht korrekt vorhersagen können, wenn wir keine zuverlässigen Prognosen für die Arktis bekommen", sagt hierzu Expeditionsleiter Prof. Dr. Markus Rex vom AWI. Die MOSAiC-Expedition hat also zum Ziel, die komplexen und derzeit nur unzureichend verstandenen Klimaprozesse der zentralen Arktis zu erkunden und das Zusammenspiel zwischen Atmosphäre, Meereis und Ozeanströmungen besser zu verstehen. Die Erkenntnisse führen anschließend zu einer verbesserten Darstellung der Prozesse in Klimamodellen. Somit helfen die Ergebnisse, die regionalen und globalen Folgen des arktischen Klimawandels und des Meereisverlustes besser zu verstehen, was schlussendlich zu genaueren Wetter- und Klimaprognosen führen wird.
Übrigens, im Polarstern-Blog (https://follow.mosaic-expedition.org/) bekommen Sie täglich einen kleinen Einblick in die aktuellen Herausforderungen im Leben und bei den Messungen unter Extrembedingungen im arktischen Meereis und können zusätzlich die bisherige Drift und die aktuelle Position der Polarstern sowie die Wetterbedingungen verfolgen.
In weiteren Teil(en) gehen wir näher auf den zeitlichen Ablauf der MOSAiC-Expedition ein, erklären genauer, was es mit der Meereisdrift auf sich hat und beschreiben den immensen logistischen Aufwand dieser Messkampagne.