Der Winter 2019/2020 war selbst in den Mittelgebirgen bisher nahezu ein Totalausfall. Wintersport geht in den Mittelgebirgen nur auf Kunstschnee und frühlingshafte Temperaturen sorgten dafür, dass schon seit Anfang Januar die ersten Pollen fliegen. Verantwortlich für die ungewöhnlich warmen Temperaturen ist die derzeitige Zirkulation. Seit Mitte Dezember hat sich eine sehr hartnäckige West- bis Südwestwetterlage eingestellt. Dabei bilden sich immer wieder Tiefdruckgebiete bei Neufundland, die Richtung Europa ziehen. Über Süd- und Mitteleuropa liegt gleichzeitig ein Hochdruckgebiet, das die atlantischen Tiefdruckgebiete dann aber auf eine Südwest-Nordostzugbahn über Großbritannien nach Nordskandinavien zwingt. Mitteleuropa verblieb dabei meistens in einer Südwestströmung, in der es immer wieder zum Vorstoß von sehr milden subtropischen Luftmassen kommt. Dabei dominierte bei uns überwiegend Hochdruckeinfluss. Dies ist eine der denkbar wärmsten Wetterlage zu dieser Jahreszeit.
Wie kann so eine Wetterlage so lange stabil bleiben? Hauptverantwortlich dafür ist der Polarwirbel. Der Polarwirbel ist ein mit Kaltluft angefülltes Höhentief, das sich aufgrund der Abkühlung im Winterhalbjahr in der Troposphäre und Stratosphäre nahe dem Nordpol ausbildet. Ist der stratosphärische Polarwirbel im Winter stark, so wirkt dies verstärkend auf den Jetstream, der sich dann bevorzugt in West-Ost-Richtung ausrichtet. Dies bedeutet, dass vorwiegend Westwetterlagen entstehen, bei der Tiefdruckgebiete in schneller Abfolge vom Atlantik über Nordeuropa ziehen. Die Kaltluft verbleibt dabei meist nördlich der Tiefdruckgebiete, Richtung Pol, was überwiegend milde Temperaturen bei uns zur Folge hat. Schwächt sich der Polarwirbel aber ab, oder teilt er sich sogar, dann fangen die Teilwirbel an zu taumeln und werden häufig in südlichere Breiten abgedrängt. Starke Kaltluftausbrüche bis weit nach Süden sind häufig die Folge. Diesen Winter ist der Polarwirbel allerdings ungewöhnlich stark. Hinzu kommt, dass er in der Troposphäre für Winterfreunde noch ungünstig über Nordostkanada und Grönland liegt. Er markiert dort die Region der kältesten Luft. Diese Kaltluft fließt von dort über den relativ warmen Nordatlantik. Dadurch bilden sich immer wieder Tiefdruckgebiete, sodass die Tiefdruckkette und die daraus für uns folgende Südwestströmung nicht abreißen kann. Dieses Zirkulationsmuster ist äußerst stabil und war typisch für die meisten deutlich zu milden Winter, wie z. B. 2006/07, 2007/08 und 2013/14 in Deutschland.
Somit ist auch im Mittelfristbereich (in den nächsten 10 Tagen) kein nachhaltiger Winter in Sicht. Derzeit rechnen die Modelle aber eine starke Erwärmung in der Stratosphäre, die den Polarwirbel schwächen könnte. Ob sich diese Schwächung auch bis in die Troposphäre fortsetzt, was ab der 2. Februardekade unsere Chancen auf Winterwetter verbessern würde, bleibt aber abzuwarten.
Aktuell hat sich zumindest der stratosphärische Polarwirbel erst mal Richtung Nordeuropa verschoben (siehe Abbildung), wobei das nördliche Mitteleuropa mit stratosphärischen Temperaturen bis unter -80 °C gestreift wird. (Die nordhemisphärische Karte zeigt die Position des Polarwirbels und die Temperatur in etwa 20 km Höhe). Für unser Wettergeschehen hat dies zwar keine unmittelbaren Folgen, allerdings führt das zu einem weiteren interessanten Phänomen, farbenprächtige irisierende sogenannte Polarstratosphärische Wolken (PSCs).
Polare Stratosphärenwolken benötigen für ihre Entstehung eine Temperatur von mindestens -78 °C. Diese Temperaturen findet man in der winterlichen Stratosphäre innerhalb des Polarwirbels in einer Höhe von 15 bis 30 km wieder. Für die Entstehung von Wassereis mangelt es jedoch in diesen Höhen an Wassermolekülen. Dennoch gibt es dort eine Aerosolschicht (die sogenannte "Jungschicht"), die aus winzigen Schwefelsäuretröpfchen besteht. Die Hauptquelle für diese Schwefelsäuretröpfchen sind Vulkanausbrüche. Bei Temperaturen unter -78 °C lagert sich an diesen Tröpfchen die wenigen Wasser- und Salpetersäuremoleküle ab. Aus diesem Gemisch entstehen die polaren Stratosphärenwolken. Bei weiter sinkenden Temperaturen bilden sich aus den Tröpfchen Kristalle, an denen das einfallende Sonnenlicht gebrochen wird und somit die perlmuttartige Erscheinung der Wolken erzeugt.
Meist bilden sich diese Wolken in arktischen bzw. antarktischen Wintern nur in polaren Regionen jenseits des 80. Breitengrades, weil nur dort die dafür benötigten sehr niedrigen Temperaturen auftreten. Eher selten, wie zuletzt im Februar 2016 und im Januar 2010, lassen sich PSC's auch in mittleren Breiten beobachten. Damals konnte man nach Sonnenuntergang ein intensives Purpurlicht (eine sehr starke rote bis purpurne Färbung des Abendhimmels) in der Dämmerung sehen. Diese Färbung entsteht durch die Mehrfachstreuung des Sonnenlichtes an den PSC's in den Erdschatten.
Die Beobachtungschancen stehen in den nächsten Tagen durch das trübe Wetter leider schlecht. Sollten Sie allerdings Wolkenlücken finden, so lohnt sich ein Blick zum Himmel.