Facebook Twitter
Drucken
29. Oktober 2021 | Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann

Kalte Schale, warmer Kern: Im Auge des Sturms APOLLO

Kalte Schale, warmer Kern: Im Auge des Sturms APOLLO

Datum 29.10.2021

Im Mittelmeer sorgt Tief APOLLO für heftige Regenfälle, Sturm und hohen Wellengang, vor allem Sizilien wird stark getroffen. Aufgrund der tropensturm-ähnlichen Eigenschaften des Sturms wird er auch als "Medistorm" oder "Medicane" bezeichnet.

Bereits Anfang dieser Woche waren in den Medien zahlreiche Fotos und Videos von heftigen Überschwemmungen auf Sizilien zu sehen. Straßen in der Hafenstadt Catania verwandelten sich in reißende Flüsse, nachdem dort in nur 48 Stunden die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge (knapp 600 l/qm) gefallen war.


Zum Vergrößern bitte klicken
Zum Vergrößern bitte klicken


Während sich die Situation in den letzten Tagen etwas entspannte, war diese Beruhigung - man könnte sagen - trügerischer Natur oder "nur die Ruhe vor dem (nächsten) Sturm". Denn bereits am gestrigen Donnerstag sorgten neue Unwetter auf Sizilien für abermalige heftige Regenfälle mit 100-200 l/qm in 24 Stunden, die noch bis Samstagabend andauern werden.

Der Verursacher ist auf dem Satellitenbild schnell zu erkennen: Südöstlich von Sizilien wirbelt das Tiefdruckgebiet APOLLO, das sich in den kommenden Stunden weiter verstärkt und vor allem von den Medien auch gerne als "Medicane" bezeichnet wird. Doch wie kam es zu der Sturmbildung und welche Eigenschaften hat dieses tropensturm-ähnliche Tief?

Es war Donnerstagmorgen, als sich ein Höhentief von der "Westwindautobahn" der mittleren Breiten löste und begann, über dem Mittelmeer östlich von Malta seine Kreise zu ziehen. Da sich mit dem Höhentief Kaltluft über das sehr warme Meereswasser schob, stellte sich ein starker vertikaler Temperaturgradient ein. Diese rasche Temperaturabnahme mit der Höhe ermöglichte vertikale Umlagerungen in Form von Schauern und Gewittern.

Durch die Gewittertätigkeit unter dem sich kaum verlagernden Höhentief wurde und wird die Luft zum einen immer feuchter. Zum anderen wird in dem Gewittersystem Luft von unten nach oben befördert und nach außen weg transportiert, sodass der Luftdruck über der Meeresoberfläche sinkt.

Diese beiden Vorgänge verstärken bereits das Tief - doch es kommt noch ein weiterer Effekt hinzu: Eine geringe vertikale Windscherung. Das bedeutet, dass die Unterschiede zwischen den Windgeschwindigkeiten und -richtungen in verschiedenen Luftschichten nur gering sind. Eine solche geringe vertikale Windscherung hilft, eine gebündelte zirkulare Struktur zu erhalten. Wäre die Windscherung zu stark, würde es den Sturm "zerreißen" und ihn angreifbar machen für trockenere Luftmassen aus der Umgebung.

So aber können sich die Schauer und Gewitter spiralförmig um das Tief herum anordnen und es nochmals deutlich verstärken. Die immer schneller um den Tiefkern rotierende "Gewitterspirale" erinnert dabei schon rein optisch an einen tropischen Wirbelsturm. Doch auch thermodynamisch hat das System Ähnlichkeit mit einem tropischen Sturm wie einem Hurrikan: Zum einen lässt sich ein warmer Kern bis in die höheren Troposphärenschichten finden (bedeutet: die Temperatur im Zentrum ist in allen Höhenschichten wärmer als in ihrer Umgebung. Dadurch findet dort Wolkenauflösung statt und es ergibt sich ein wolkenarmes "Auge"). Zum anderen gibt es keine Warm- und Kaltfronten - wie es bei "normalen Tiefs" der mittleren Breiten der Fall ist.

Bei solchen Tiefdrucksystemen über dem Mittelmeer, die anfangs vor allem außertropische, später zunehmend tropische Eigenschaften aufweisen, wird auch von einem "Medistorm" (mediterranean tropical storm) gesprochen - oder, vor allem in den Medien, auch von einem "Medicane" - einer Wortzusammensetzung aus "mediterranean" und "Hurricane".

Und wie geht es weiter? APOLLO zieht am morgigen Samstag gen Süden ab und trifft am Sonntagabend bei Bengasi auf die Küste Libyens. Dort sind ebenfalls Sturmböen, Starkregen und hoher Wellengang bis 3 m möglich, nach jetzigem Stand schwächt sich der Sturm jedoch insgesamt ab.

Auch wenn Hochdruckwetter für uns Meteorologen und Wetterberaterinnen normalerweise eher in die Kategorie "langweilig" fällt, so ist man in Anbetracht der derzeitigen Bilder aus Sizilien doch ziemlich froh um des ruhigen, warnarmen Wetters hierzulande...



© Deutscher Wetterdienst