Bewegt man sich auf den Straßen in orographisch etwas gegliedertem Gelände (besonders in den Mittelgebirgen und alpinen Regionen), zählen Sicherungsarbeiten an Böschungen oder Felshängen zu den typischen Begleiterscheinungen des Frühlings. Nach einem mehr oder weniger harten Winter müssen die verschiedensten Verkehrswege vor den möglichen gravitativen Gefahren durch herabstürzendes loses Geröll oder gar Felsen geschützt werden. Immerhin können bei solchen Vorgängen im Extremfall auch Menschenleben gefährdet werden. Doch welche physikalischen Prozesse stecken hier dahinter?
Der "Hauptübeltäter" kann dabei sehr schnell ausgemacht werden: Es ist, wie häufig bei atmosphärischen oder geowissenschaftlichen Vorgängen, maßgeblich das Molekül Wasser mit seinen teils atypischen Eigenschaften daran beteiligt. Im Gegensatz zu vielen anderen Stoffen hat Wasser seine höchste Dichte bzw. seine geringste Ausdehnung bei +4 Grad Celsius und vergrößert ab diesem Wert sein Volumen bei sinkender (und steigender) Temperatur ("Dichteanomalie des Wassers"). Diese Eigenschaft spielt etwa auch eine große Rolle bei schwimmendem Eis, der thermischen Schichtung von Binnenseen und den thermohalinen Zirkulationen in den Weltmeeren. Doch heute beschäftigten wir uns mit der sogenannten "Frostsprengung", auch als "Kryoklastik" bezeichnet.
In Regionen mit teils festen Niederschlägen (Schnee) und/oder Temperaturen, die häufig zwischen positiven und negativen Werten wechseln, spielt diese Art der Gesteinsverwitterung eine bedeutende Rolle. Damit sind die polaren und die (kalt-) gemäßigten Klimazonen sowie das alpine Gelände prädestiniert für solche Vorgänge. Dringt in teils zerklüftetes Gestein flüssiges Wasser ein, kann dieses den Porenraum aufgrund seiner Eigenschaften sehr gut ausfüllen. Gefriert nun dieses Wasser, dehnt es sich aber aufgrund der vorhin geschilderten Eigenschaften um bis zu ca. 9 % aus. Mit dieser Volumenausdehnung in den Hohlräumen steigt damit natürlich auch der Druck innerhalb des Gesteins. Dabei sind Werte von bis zu 220 MPa (Mega-Pascal, Maximum bei ca. -22 Grad Celsius) möglich. Ist nun ein für das jeweilige Material kritischer Wert erreicht, entlädt sich dieser Druck mittels Sprengung des Gesteins. Minerale mit guter Spaltbarkeit, wie Glimmer, Feldspate oder Quarze, verwittern damit schneller als festere und weniger zerklüftete Gesteine. Im Gegensatz zur chemischen Verwitterung ändert das Material bei dieser physikalischen Verwitterung seine Stoffeigenschaften nicht - es wird nur zerkleinert.
Doch warum lösen sich die Gesteine nun besonders im Spätwinter und im Frühling von den etwas steileren Hängen? Dies ist relativ einfach erklärt, denn Eis wirkt nicht nur als "Sprengmittel", sondern auch als sehr guter "Kleber". Das Gestein wird während des Winters beim Gefrierprozess zwar bereits aufgebrochen, kann sich aber aufgrund der Bindekraft des Eises noch nicht vollständig vom Muttergestein lösen. Dies geschieht nun aber während der wieder milderen Jahreszeit mit deutlich höheren Bestrahlungsstärken der Sonne. Außerdem unterstützt der nun häufige Wechsel zwischen negativen und positiven Temperaturen und den damit verbundenen unterschiedlichen Aggregatzuständen des Wassers die Verwitterungsprozesse. Dabei gilt es aber bei der Gefahrenbeurteilung die teils deutlichen Unterschiede zwischen der Sonnenseite (der Sonne zugewandten Hangflanke) und der Schattenseite mit teils verzögerten Prozessen (u.a. länger anhaltende Schneedecke und unterschiedliche Temperaturverhältnisse) zu beachten. Der "große Bruder" dieser Verwitterung sind die auftauenden Permafrostbereiche des Hochgebirges. Dabei verliert das Gestein ebenfalls durch den Phasenwechsel des Wassers seine innere Bindung. Die in letzter Zeit häufiger dokumentierten massiven Felsstürze (bzw. Bergstürze) zeugen von diesem Phänomen. Doch dies ist mehr ein Thema des kurzen alpinen Hochsommers. Bei weiterem Interesse zum Permafrost werden Sie sicherlich in unserem umfassenden Thema-des-Tages-Archiv (https://t1p.de/e1qc2) fündig.