Bald ist wieder Wochenende und somit die Zeit für unzählige Fußballfans in die Stadien zu pilgern, um ihren Vereinen die Daumen zu drücken. Können Sie sich noch an Ihren jüngsten Besuch eines Fußballstadions erinnern? Oder haben Sie noch die Bilder im Kopf, wenn bei einem im Fernsehen live übertragenen Spiel ein Blick auf das gesamte Stadion von oben zu erhaschen war? Was gibt es doch für beeindruckende Bauwerke, wo sich das Stadion immer mehr nach Außen neigt, je höher man sitzt und letztendlich in eine riesige Öffnung mündet, die nicht selten von oben gesehen einem Auge gleicht. Der Grund für diese architektonische Ausrichtung ist u.a. der, dass die Zuschauer einerseits die oberen Plätze erreichen wollen (was bei senkrechter Ausrichtung nicht jedem sportlich visierten Fußballfan glücken dürfte), andererseits aber auch gut auf den Fußballplatz einsehen möchten und natürlich verkleinert sich auch der Fußabdruck des Stadions. Doch wieso sprechen wir im heute verfassten Thema des Tages über Fußball und nicht über das Wetter?
Auch beim Wetter gibt es ein Phänomen, dass bei entsprechender Ausprägung im Zentrum sehr einem Fußball-/Baseball- oder Footballstadion ähnelt und dieses ist im Bereich der Tropen zu finden: ein tropischer Zyklon.
Wie bereits in den Themen des Tages vom 13. Oktober 2015 und dem 04. Februar 2023 beschrieben gibt es eine satellitengestützte Mustererkennung von tropischen Stürmen, um deren Intensität zu detektieren. Dabei fällt diese Bestimmung nicht selten komplex aus und liefert Nährboden für kritische Diskussionen. Sobald sich jedoch das Auge eines tropischen Sturms gebildet hat vereinfacht sich die Intensitätsabschätzung wieder, kann man doch mindestens von Böen in Orkanstärke ausgehen. Zur Erinnerung, je intensiver der Temperaturkontrast "Auge - Oberflächentemperatur der Gewitterwolken" ausgeprägt ist, umso kräftiger ist die Dynamik eines Tropensturm bzw. dann Hurrikans/Taifuns/Zyklons etc.
Gerade die intensivste Phase eines Tropensturms mit einem klar definierten Auge ist diejenige, wo der Stadion-Effekt zur Geltung kommt. Wie so oft im Bereich der Tropenmeteorologie ist dessen Entstehung sehr komplex und wird hier stark vereinfacht wiedergegeben.
Zunächst muss man wissen, dass das Auge eines tropischen Sturms aus einer sogenannten "Augenwand" besteht, in der die höchsten Windgeschwindigkeiten gemessen werden und aus einem nicht selten nahezu windstillen Inneren des Auges.
Im Auge sinkt die Luftmasse ab, erwärmt sich und trocknet ab. Uns interessiert aber vor allem das Geschehen innerhalb der Augenwand. Im unteren Bereich der Augenwand bremst die Reibung den Wind noch merklich ab, sodass z.B. die höchsten Windgeschwindigkeiten innerhalb der Grenzschicht (der Schicht direkt über dem Erdboden bzw. der Meeresoberfläche) erst in durchschnittlich 500 m über Grund erreicht werden. Oberhalb der bremsenden Grenzschicht lässt die Reibung jedoch zügig nach, sodass dort die Windgeschwindigkeit nochmals deutlich zunimmt. Zudem muss man wissen, dass ein gedachtes Luftteilchen während der Umrundung des Auges in der Augenwand unterschiedliche Kräfte spürt - die Kraft, die in das Zentrum des Sturmes zeigt (Druckgradientkraft) und Kräfte, die das Teilchen vom Zentrum wegziehen (z.B. Zentrifugalkraft). Letztere überwiegen bei Windzunahme, sodass die Teilchen mit der Höhe versuchen ein Gleichgewicht zu erreichen, indem sie in immer größeren Bahnen um das Auge zirkulieren. So entsteht ein nach oben sich aufweitender Trichter, der von oben gesehen in Form eines sich vergrößernden Auges zu erkennen ist.
Der Stadion-Effekt ist bei kräftigen Zyklonen besonders gut ausgeprägt und kann vor allem bei tiefstehender Sonne mit entsprechendem Schattenwurf mit Hilfe eines Satelliten bewundert werden. Natürlich funktioniert es auch, wenn der Wettersatellit zentrumsnah (nicht direkt) über das Auge fliegt. Doch wie sieht so ein Stadion-Effekt nun aus?
Beginnen wir mit dem erst kürzlich tobenden Taifun SAOLA, der als sogenannter "Supertaifun" (Kategorie 4 Sturm der fünfteiligen Saffir-Simpson Skala) die Straße von Luzon westwärts durchquert und das Südchinesische Meer erreicht hat, um sich auf seinem Weg in Richtung Hong Kong allmählich abzuschwächen . Während der intensivsten Phase entstanden die beiden folgenden Bilder.
Der Wettersatellit stand äußerst günstig, um den Stadion-Effekt dieses Supertaifuns abzulichten. Im obersten Bild sieht man ein farblich verfälschtes Wasserdampfbild, wobei grüne Farben sehr feuchte Luftmassen anzeigen (Schauer und Gewitter). Im Auge, wo die Luft absinkt und abtrocknet wird die sehr trockene Luftmasse rötlich dargestellt. Dabei erkennt man, dass die Farben nicht schlagartig von sehr feucht zu sehr trocken wechseln, sondern dass es einen allmählichen Übergang gibt. Der Wasserdampfkanal 6.2, der hier zu sehen ist und für die Analyse im oberen Bereich der Troposphäre verwendet wird, misst hier also den allmählichen Abfall innerhalb der Augenwand, der dadurch entsteht, dass diese nach oben geneigt ist und nicht senkrecht abfällt.
Ähnliches sieht man im zweiten Bild (im Infrarotkanal), wo die vom Satelliten ermittelte Temperatur gezeigt wird. Diese liegt dank hochreichender Konvektion ums Auge herum bei unter -60 Grad und steigt im Auge sprunghaft auf über +11 Grad an (real mit feinerer Auflösung wurden sogar bis knapp +20 Grad gemessen). Auch hier wird die geneigte Augenwand visuell eindrücklich gezeigt.
Doch sind wir mal ehrlich - geben wir uns mit diesen Bildern wirklich zufrieden? Nein. Wir zoomen mal ordentlich in das Auge von SAOLA hinein.
Alleine die Dynamik und Struktur dieses Auges sind beeindruckend (besonders mit dem Wissen, dass der Sturm über dem offenen Meer tobte), doch beschränken wir uns darauf die Augenwand zu betrachten, die z.B. im südöstlichen Quadranten eine Neigung nach außen hin aufweist. Man kann sich hier bildlich ein Stadion vorstellen. In der Augenwand die Zuschauer und auf dem Platz im Auge die wild tobenden kleinräumigen Wirbel, die einen packenden Tanz aufführen.
Wie bitte, das ist Ihnen noch immer nicht nah genug? Gut, um Ihren Wissensdurst zu befriedigen begleiten wir die sogenannten "Hurricane Hunter" (Meteorologen, die mit einem Flugzeug in diese Stürme fliegen und Messungen vornehmen) in den Hurrikan Epsilon aus dem Jahr 2020, der Ende Oktober im Nordatlantik tobte.
Viel eindrücklicher kann man diesen Effekt kaum mehr darstellen - oder doch? Reizen wir alles aus und beenden dieses Thema des Tages mit einer kleinen Fotocollage. Die Bilder entstanden im Jahr 2015 und sie wurden durch den ehemaligen nordamerikanischen Astronauten Terry Virts von der ISS abgelichtet. Die Bilder zeigen den Supertaifun MAYSAK, der Ende März/Anfang April 2014 im nordwestlichen Pazifik wütete.
Und wieder zeigt sich, welch Schönheit die zerstörerische Kraft eines tropischen Zyklons hat, wenn man diesen aus sicherer Entfernung betrachten kann, doch darf man nie vergessen, dass eben diese Schönheit beim Landgang Leid und Zerstörung bringt. Mit dem aktuell aktiven und bald sehr intensiven Hurrikan LEE im tropischen Atlantik wird es sicher auch in den kommenden Tagen die Möglichkeit geben den Stadion-Effekt per Satellit oder mit Bildern der Hurrikanjäger aus dem Flugzeug zu bestaunen.