In den letzten Jahrzehnten erlebte das Tourengehen einen regelrechten Boom. Auf der Suche nach Natur, Abenteuer und Einsamkeit schätzen viele Wintersportler die Freiheiten, die eine Skitour bietet. Für eine sichere Tourenplanung ist es jedoch wichtig, ein Grundverständnis vom Wetter und der Lawinenkunde zu haben. Die meteorologischen Prozesse beeinflussen die Schneedeckenzusammensetzung und die Entstehung sowie Entwicklung von Schwachschichten. Mit dem Wissen zu den in der Schneedecke ablaufenden Prozessen und dem Wettergeschehen sowie mithilfe der Angaben in den Lawinenlageberichten lassen sich die Gefahren im Gelände besser einschätzen. Zudem wird auch die Auswahl einer sicheren Skitourenroute erleichtert.
Während der vergangenen Woche häuften sich Lawinenauslösungen teils auch mit Personenbeteiligung. Bis zum gestrigen Freitag wurde von den Lawinenwarndiensten in den Hochlagen der Alpen oberhalb etwa 2000 Meter vor einer erheblichen Lawinengefahr gewarnt. Auf der fünf-teiligen Gefahrenstufenskala entspricht dies der Stufe 3. Für Wintersportler im freien Gelände ist diese Gefahrenstufe meist die kritischste Situation, bei der rund die Hälfte aller Lawinentoten zu beklagen sind. Eine optimale Routenwahl ist daher sehr wichtig. Steile Hänge der in den Lawinenbulletins angegebenen Expositionen und Höhenlagen sollten gemieden werden.
Vor allem der Windeinfluss und zeitweise frischer Neuschnee trugen in der vergangenen Woche entscheidend zur erheblichen Lawinenlage bei. Der von dem Geologen Wilhelm Paulcke in den 1930ern geprägte Satz: "Der Wind ist der Baumeister der Lawinen." gilt auch heute noch unverändert fort. Unter diesen Voraussetzungen bildeten sich vermehrt neue, zum Teil auch sehr störanfällige Triebschneeansammlungen. Triebschnee lagert sich an windabgewandten Hangseiten vorrangig in windgeschützten Karen oder Mulden ab. Da auf diese Weise größere Schneemengen zusammengetragen werden, können in kurzer Zeit dicke Triebschneedecken entstehen, die zudem nur sehr lose mit den alten Schneeschichten verbunden sind. Insbesondere dort, wo der Triebschnee auf Oberflächenreif oder einer lockeren Schneeoberfläche mit kantigen Schneekristallen zum Liegen kommt. Innerhalb der Triebschneeansammlung selbst weisen die Schneekristalle allerdings eine hohe Bindung auf. Nach dem Windtransport sind die Schneekristalle deformiert und ineinander verhakt, sodass sich dadurch gefährliche Schneebretter entwickeln können.
Des Weiteren wurde Mitte der Woche von Frankreich her eine markante Warmfront nordwärts über die Alpen geführt. Während es über der Mitte Deutschlands dabei zur Ausbildung einer markanten Luftmassengrenze mit einer extrem Eisregenlage und auf der Nordseite zu starken Schneefällen kam, führte der Warmlufteinschub an den Alpen zu einer deutlichen Milderung (siehe auch Thema des Tages vom 16.01.2024). Durch die Temperaturzunahme und Anfeuchtung der Schneedecke bis in mittlere und höhere Lagen bis etwa 2400 m verstärkten sich die Schneebretteigenschaften des zuvor gebildeten Triebschnees. Das erhöhte die Störanfälligkeit der Schneedecke in Bezug auf Schneebrettlawinen. Zusätzlich schwächte der Regen die Schneeoberfläche auch in windberuhigten Bereichen. Aus sehr steilem Gelände konnten sich daher vorübergehend auch feuchte und nasse Lockerschneelawinen lösen.
Am Donnerstag wurde die Luftmassengrenze als Kaltfront wieder zurück an und bis zum gestrigen Freitag auch über die Alpen geführt. Damit verbunden wurden etwa 5 bis 15 cm Neuschnee abgeladen. In einigen Staulagen war es auch noch ein wenig mehr. Auch der lebhafte nordwestliche Wind wirkte wieder mit, sodass neue frische Triebschneeansammlungen vor allem im kammnahen Steilgelände entstanden sind. Der frische Triebschnee ist zwar nicht allzu mächtig, dennoch ist die Bindung zur darunterliegenden Schneedecke nur schwach ausgeprägt.
Unter Hochdruckeinfluss hat sich die Lawinengefahr zum heutigen Samstag generell entspannt und in den Hochlagen ist eine Rückstufung auf die mäßige Gefahrenstufe (Stufe 2) erfolgt. Dennoch sind Auslösungen von Schneebrettlawinen insbesondere im kammnahen Steilgelände und in zugewehten Rinnen und Mulden durch einen oder mehrere Skifahrer möglich. Neben der Verschüttungsgefahr ist die Absturzgefahr zu beachten.
Woran lässt sich Triebschnee im Gelände erkennen? Besonders charakteristisch für Triebschnee sind seine matte (kein Glitzern der Schneekristalle) und gespannte Oberflächenstruktur sowie die scharfen Kanten, die beim Spuren entstehen. Risse in der Schneedecke, oft neben der Spur, sowie ein stumpfer Widerstand beim Befahren sind ebenfalls ein Indiz für Triebschnee.
In tieferen Lagen herrscht derzeit nur eine geringe Lawinengefahr (Stufe 1). Dennoch kann es wegen der zum Teil tiefgreifenden Durchfeuchtung der meist gering mächtigen Schneedecke noch zu einzelnen Gleitschneelawinen kommen
Besonders jenen alpinen Wintersportlern, die sich gerne im ungesicherten Gelände bewegen, seien daher die aktuellen Lawinenlageberichte der verschiedenen Alpenregionen ans Herz gelegt. Zwischen dem Lawinenwarndienst Bayern und dem Deutschen Wetterdienst besteht zudem eine enge Zusammenarbeit. Der Wetterbericht für den Deutschen Alpenraum auf der Homepage des Lawinenwarndienst Bayern wird von den Meteorologen der Regionalen Wetterberatung München verfasst, ebenso sind Lawinenlageberichte und Gefahrenstufen auf der Website und in der WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes einsehbar.