Um es gleich vorweg zu sagen: Es gibt nicht die eine Superzelle. Vielmehr bezeichnet der Begriff einen Gewittertyp mit ganz bestimmten Eigenschaften, der ihn von anderen Gewittern unterscheidet.
Wesentliches Merkmal einer Superzelle, über die sie sich auch definiert, ist die Rotation der Gewitterzelle. Genauer gesagt rotiert dabei der Aufwind um eine vertikal ausgerichtete Achse. Der Aufwind bewegt sich also spiralförmig nach oben. Grundsätzlich sind Superzellen eine Art von „organisiertem” Gewitter (es gibt auch noch andere Arten). Der Begriff „organisiert” bezieht sich dabei auf die Tatsache, dass in einer solchen Gewitterzelle Auf- und Abwinde voneinander getrennt sind. In einer handelsüblichen normalen Gewitterzelle sind Auf- und Abwinde dagegen zufällig angeordnet und von eher chaotischer Natur.
Oftmals rotiert der Aufwind in einer solchen Superzelle in zyklonale Richtung, also in dieselbe Richtung wie ein Tiefdruckgebiet. Aus diesem Grund wird dieser Teil einer Superzelle oft auch „Mesozyklone” genannt. Der Wortbestandteil „Meso-” bezieht sich dabei auf die Größenordnung dieses Wirbels. Dieser ist mit einem Durchmesser von meist zwischen 2 und 10 km deutlich kleiner als ein klassisches Tiefdruckgebiet. Diese haben in der Regel einen Durchmesser von 100 bis 1000 km.
Aber nicht nur aufgrund der Rotation kann man von einer Zyklone sprechen. Eine Superzelle weist auch weitere Eigenschaften eines Tiefdrucksystems auf, wie zum Beispiel eine Art Frontensystem. Neben dem Aufwindbereich unterscheidet man dabei verschiedene Abwindbereiche. Diese werden üblicherweise mit englischer Nomenklatur bezeichnet. Dabei existiert ein vorder- und ein rückseitiger Abwind, „Forward Flank Downdraft” und „Rear Flank Downdraft” genannt (Abkürzung FFD und RFD). In diesen Bereichen gelangt kalte Luft aus großen Höhen hinunter bis zum Boden, während andersherum die warme und feuchte Luft im Aufwind nach oben befördert wird. So ein Gewitter ist also ein riesiger Austauschmechanismus zwischen kalter Höhenluft und warmer Bodenluft, wenn die Temperaturunterschiede zwischen den Schichten zu groß werden.
Oftmals lässt sich am Rande einer Superzelle eine Kette von Haufenwolken beobachten: Die sogenannte „Flanking Line”. Dabei trifft warme Luft am Boden, die von der Zelle angesaugt wird („Inflow” genannt) auf den Pool ausfließender kalter Luft auf der Rückseite der Superzelle (RFD). Dabei muss die warme Luft des Inflows zwangsläufig auf die dichtere kalte Luft aufgleiten. Dabei bildet sich die Wolkenkette aus (Alle Features siehe Abbildung 1).
Damit sich aber insbesondere Gewitter in Form von Superzellen ausbilden können, sind einige Randbedingungen vonnöten. Zum Einen braucht es ein gewisses Maß an Instabilität in der Troposphäre, der in der Regel durch den Parameter „CAPE” zum Ausdruck kommt. Zum Anderen ist Windscherung ein unabdingbares Kriterium, damit sich entstehende Gewitter entsprechend organisieren können. Scherung bezeichnet dabei die Änderung von Windgeschwindigkeit (Geschwindigkeitsscherung) und Windrichtung (Richtungsscherung) mit der Höhe. Je stärker diese ausgeprägt sind, desto besser können sich organisierte Gewitterzellen und insbesondere Superzellen bilden.
Die vorhandene Windscherung sorgt auch dafür, dass sich bestimmte Begleiterscheinungen nahezu ausschließlich im Rahmen eines superzellulären Gewitters ausbilden können. Da wäre zunächst der große Hagel zu nennen, der sich vor allem aufgrund der speziellen Aufwindstruktur ausbilden kann. In besonders gut ausgeprägten Superzellen erreichen die Körner hier schnell Größen von über 4 cm. Weitere Phänomene stehen vor allem mit Wind in Zusammenhang. Da wäre zunächst der sogenannte „Downburst” zu nennen. Downbursts sind heftige Fallwinde. Sie entstehen, wenn viel Niederschlag in eine ausgeprägte trockene und bodennahe Luftschicht fällt. Dabei verdunstet der Niederschlag rasch und kühlt dabei die Luft mit ab. Dadurch wird die Abwärtsbewegung noch solange beschleunigt, bis die Luft auf dem Boden auftrifft, wo sie sich gezwungenermaßen zur Seite ausbreiten muss. Dabei werden oftmals Windgeschwindigkeiten von über 120-140 km/h erreicht, in Extremfällen sogar über 200 km/h.
Ein weiteres Phänomen dürfte hinreichend bekannt sein: Superzellen sind die einzige Art von Gewittern, die Tornados produzieren können (von der Betrachtung von sogenannten Typ II-Tornados sei an dieser Stelle abgesehen). Hierbei wirken vor allem niedrige Wolkenhöhen und hohe Windscherung bereits im Bereich zwischen Boden und 1 km Höhe begünstigend. Dabei setzt sich vereinfacht gesagt die Rotation des Aufwindes bis zum Boden fort, wobei der Radius immer weiter abnimmt, was zu einer entsprechenden Zunahme der Windgeschwindigkeiten führt – ähnlich dem Pirouetten-Effekt beim Eiskunstlauf (In Wirklichkeit sind diese Mechanismen alle noch sehr viel komplizierter und auch noch immer nicht zu 100 % verstanden, aber auf diese Abhandlungen wollen wir an dieser Stelle verzichten).
Wie aber erkennt man nun eine Superzelle? Dazu kann man verschiedene Hilfsmittel verwenden. Sobald eine Superzelle in Kontakt mit der bodennahen Grenzschicht kommt, beginnt sie in ihrer Zugbahn nach rechts auszuscheren. Das lässt sich gut im Niederschlagsradar erkennen. Des Weiteren kann man sich den Dopplermechanismus des Radars zunutze machen. Dieser erkennt die Rotation der Mesozyklone. Zu guter Letzt lassen sich auch im Radarbild mitunter typische Signaturen im Reflektivitätsbild ausmachen („Hook Echo”). Mit bloßem Auge bilden sich oft klassische Wolkenstrukturen wie z.B. eine Wall Cloud (Mauerwolke) an der Aufwindbasis oder eine Shelf Cloud (sog. „Regalwolke” mit mehreren Schichten) am Abwindbereich aus. Mitunter ist bei ausgeprägten Superzellen sogar die Rotation der Aufwindwolke mit bloßem Auge zu erkennen.
Nicht jede Superzelle führt gleich zu schweren Unwettern. Aber schwere Unwetter werden oft durch Superzellen verursacht. Gleichzeitig stellen sie – je nach Sichtweise – eine der schönsten strukturellen Phänomene dar, die die Atmosphäre so zu bieten hat. Vielleicht sieht man ja schon das nächste Gewitter bereits mit anderen Augen.