19. April 2012 | Dipl.-Met. Peter Hartmann
Geschichte der synoptischen Meteorologie
Teil 3: Neue Mess- und Vorhersagetechniken, Fortsetzung vom 18. April
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sorgte die
Weiterentwicklung der Technik immer wieder für vollkommen neuartige
Möglichkeiten in der synoptischen Meteorologie. Manchmal kamen dabei
die Meteorologen sogar mehr oder weniger zufällig zu neuartigen
Messsystemen. So war es z.B. beim Radar: In den dreißiger Jahren
wurde die Radartechnik vom Militär entwickelt um Schiffe und
Flugzeuge zu orten. Während des 2. Weltkriegs erlangte das Radar
bereits große Bedeutung, wobei festgestellt wurde, dass auch Regen
auf den Radarschirmen abgebildet wurde. Dies machten sich nach dem
Krieg die Meteorologen zu nutze. Im Jahre 1957 wurde das erste
Wetterradar auf dem europäischen Festland beim Institut für
Meteorologie und Geophysik der FU Berlin installiert. Dieses war
damals für die Wettervorhersage für Westberlin zuständig. Dort waren
die Meteorologen besonders auf die Daten des Radars angewiesen, da
die Meldungen der Wetterstationen der DDR erst mit großer Verzögerung
verfügbar waren. Im Jahr 1968 wurde das erste Radar beim DWD am
Observatorium Hohenpeißenberg installiert. 1985 begann dann der
Aufbau des Radarverbundes in Deutschland, so dass nach und nach
Niederschlagsechos über dem ganzen Land beobachtet werden konnten.
Mittlerweile sorgen deutschlandweit 17 Radargeräte für eine
kontinuierliche Beobachtung von Regen und Schnee. Ohne diese wären
sogenannte Kürzestfristprognosen (für die nächsten Stunden) heute
nicht mehr vorstellbar. Auch die Entscheidung zur Ausgabe von
Unwetterwarnungen basiert zum größten Teil auf Radarmessungen. Sogar
unser lokales Vorhersagemodel Cosmo-DE wird mit Radardaten
"gefüttert".
Ein weiterer Meilenstein in der Beobachtung der Atmosphäre waren
Satelliten. Bereits 3 Jahre nachdem die Sowjetunion mit dem Sputnik 1
den ersten künstlichen Satelliten erfolgreich auf einer Erdumlaufbahn
platzieren konnte, wurde von den USA im Jahr 1960 mit TIROS 1 der
erste Wettersatellit ins All geschickt. Damit gab es zum ersten Mal
flächendeckende Informationen aus unbewohnten Gebieten, aus den
Polargebieten und von den Ozeanen. Im Jahr 1966 begann mit ESSA-3 die
operationelle Nutzung von Satellitendaten, unter anderem auch beim
Deutschen Wetterdienst. Im Jahr 1975 wurde dann mit den
amerikanischen GOES-Satelliten die Ära der geostationären Satelliten
eingeläutet. Diese befinden sich immer über dem gleichen Punkt der
Erdoberfläche und erlauben somit eine kontinuierliche Beobachtung der
Wolken ("Satellitenfilm"). Bereits im Jahr 1977 konnte EUMETSAT den
ersten geostationären Wettersatelliten für Europa in Betrieb nehmen.
Seitdem hat es viele weitere technische Entwicklungen gegeben. Die
Satelliten wurden mit immer präziseren Messinstrumenten ausgestattet,
so dass diese heute wesentlich mehr liefern als nur ein "Bild von den
Wolken". Auch aus der numerischen Wettervorhersage sind heute
Satellitendaten nicht mehr wegzudenken.
Womit wir zur nächsten Revolution der Wettervorhersage kommen: Den
Computerprognosen. Bereits weniger als 30 Jahre nach Richardsons
Vision wurden numerische Wettervorhersagen tatsächlich möglich,
allerdings nicht mit zehntausenden menschlichen Rechnern, sondern nur
einem großen elektronischen. Dies wurde im Jahr 1950 zum ersten Mal
mit ENIAC, einem Großrechner des amerikanischen Militärs, getestet.
Für die Berechnung einer 24-stündigen Prognose benötigte ENIAC volle
24 Stunden, doch die schnelle Entwicklung der Computer ermöglichte es
dem Schwedischen Meteorologischen und Hydrologischen Institut (SMHI)
bereits 1954 numerische Wetterprognosen operationell einzusetzen.
Deren Qualität war aber noch nicht zufriedenstellend. In den 1960er
Jahren begann auch der Deutsche Wetterdienst mit numerischen
Prognosen. Dabei war für die Weiterentwicklung und Verbesserung der
Vorhersagemodelle stets die Rechengeschwindigkeit der Großrechner der
limitierende Faktor. Noch heute stehen die leistungsfähigsten
Computer der Welt unter anderem bei Wetterdiensten. Die Prognosen
haben dabei eine Qualität erreicht, die vor 50 Jahren noch vollkommen
unvorstellbar war. Zudem stehen den Meteorologen heute die
Berechnungen einer Vielzahl von Vorhersagemodellen zur Verfügung, da
die Wetterdienste ihre Daten auch international austauschen und
teilweise auch kostenfrei im Internet zur Verfügung stellen. Damit
beschäftigt sich der Synoptiker heute in erste Linie mit der
"Zusammenschau" der großen Menge an Daten und filtert für seine
jeweiligen Vorhersagekunden die wesentlichen Aussagen heraus.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: NASA
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