Glücklich dürften diejenigen sein, die in der nördlichen Hälfte Deutschlands beheimatet sind. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man in der Nacht zum Freitag in den Genuss von Polarlichtern gekommen ist. Im Süden des Landes war der Himmel dagegen oftmals wolkenverhangen, entlang des Mains bis nach Mitteldeutschland regnete es sogar nochmals etwas stärker. Unpassender hätte dort der Zeitpunkt kaum sein können, denn bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr gab es nahezu überall das wunderbare Farbspektakel am Himmel zu bestaunen - oder hätte es gegeben. Wie gesagt, nicht immer ist das Wetter jedermanns Freund.
Verantwortlich für das momentan gehäufte Auftreten ist natürlich die Sonne. Genauer gesagt: Die Sonnenfleckenaktivität unterliegt einem etwa 11-jährigen Zyklus. Dieser Zyklus befindet sich aktuell auf seinem Aktivitätshöhepunkt. Dementsprechend gibt es wiederholt Sonnenflecken zu beobachten. Dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt, um Anomalien auf der Sonnenoberfläche, verursacht durch periodische Schwankungen des Magnetfelds der Sonne. Unter bestimmten Voraussetzungen bricht an diesen Stellen das Magnetfeld auch komplett zusammen. Dann kann umliegendes Plasma freigesetzt werden und als sogenannter "koronaler Massenauswurf" (engl. "coronal mass ejection", CME) ins All geschleudert werden. Das kommt tatsächlich relativ häufig vor, nämlich mitunter mehrfach am Tag. Dass dieser Ausstoß dabei aber genau Richtung Erde gerichtet ist, ist dagegen schon seltener. Erreichen die Plasmateilchen die Erde, wechselwirken sie mit dem Magnetfeld unseres Planeten und deformieren es stark. Dabei wird Energie freigesetzt. Grob beschrieben werden durch die Magnetfeldschwankungen elektrische Ströme in der Atmosphäre induziert. Dabei fließen Elektronen entlang des Magnetfeldes Richtung Erdoberfläche und regen dabei Atome in der oberen Atmosphäre an. Dadurch wird Licht in verschiedenen Farben emittiert, je nachdem ob es sich um Sauerstoff oder Stickstoff handelt. Meist resultieren daraus Nuancierungen von grünen und roten Farben bis ins violette. In seltenen Fällen können auch blaue Farben zu sehen sein.
Je stärker so ein Sonnensturm ausfällt, desto gravierender wird das Erdmagnetfeld deformiert. Je deformierter das Erdmagnetfeld ist, desto südlicher können Polarlichter beobachtet werden. Beim Ereignis im Mai dieses Jahres gab es sogar Berichte über Polarlichter in tropischen Gebieten. Die Stärke einer solchen Sonneneruption wird dabei in Form von Klassen angegeben und bezeichnen die freigesetzte Energie der auftretenden Röntgenstrahlung auf einer logarithmischen Skala. Die beiden höchsten Klassen werden dabei mit "M" und "X" bezeichnet. Stärken von mehr als 10 werden mit der nächsthöheren Klasse bezeichnet. Das heißt ein Ausbruch der Stärke "M10" entspricht der Klasse "X1". Die X-Klasse ist nach oben offen.
Die jetzigen Polarlichtsichtungen verdanken wir einer Sonneneruption der Stärke X1.8. Die Besonderheit lag dabei in der langen Andauer dieses sogenannten "Flares". Damit erreichte uns ein langanhaltender Plasmastrom, der das Magnetfeld nachhaltig stören konnte und so das Polarlicht ermöglichte.
Aktuell ist noch nicht abzusehen, dass die Sonnenaktivität demnächst signifikant abnehmen wird. Daher ist durchaus damit zu rechnen, dass uns noch weitere Sonnenstürme erreichen werden und Polarlichtsichtungen ermöglichen. Im jetzt beginnenden Winterhalbjahr ist das aus Beobachtersicht mit der abnehmenden Tageslänge natürlich ziemlich praktisch. Bleibt zu hoffen, dass das Wetter beim nächsten Mal wieder besser mitspielt.
PS: Schon gewusst? Polarlichter werden bei uns auch lateinisch "Aurora borealis" genannt. Aber es gibt sie logischerweise auch auf der Südhalbkugel zu bestaunen. Dort heißen sie dann "Aurora australis" - also "Südlicht".