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25. November 2024 | Dipl.-Met. Robert Hausen

Ungewöhnlich mild? Ja, aber es gibt "Gallische Dörfer"!

Ungewöhnlich mild? Ja, aber es gibt "Gallische Dörfer"!

Datum 25.11.2024

Der Teufel liegt oft im Detail. Wie uns große Temperaturunterschiede beziehungsweise -änderungen auf kleinstem Raum oder binnen kurzer Zeit immer wieder vor Herausforderungen stellen.

Das Wetter ist schon manchmal verrückt. Während vor wenigen Tagen der Frühwinter teilweise noch sein "Stell-dich-ein" gegeben hat und selbst im Flachland gebietsweise für dichten Flockenwirbel und die erste Schneedecke des Herbst/Winters 24/25 sorgte, so hat sich im Vorfeld des Orkantiefs SIGRID mit einer strammen südlichen Strömung in nicht einmal 48 Stunden vielerorts ungewöhnlich milde Luft durchgesetzt. Mit 19,7 Grad als Höchstwerte wurden am gestrigen Sonntag in Baden-Baden und Pforzheim (jeweils Baden-Württemberg) neue Rekorde für die letzte Novemberdekade aufgestellt. Nach nächtlichen "Tiefstwerten" von 17,8 Grad in Baden-Baden wurde dieser Wert bereits am heutigen Montagvormittag mit über 22 Grad schon wieder pulverisiert.

Ähnlich wie bei den Geschichten um Asterix und Obelix gibt es aber durchaus "Gallische Dörfer", die dieser allgemeinen Entwicklung trotzen und ihr eigenes "Lokalklima" beibehalten. Beispiel gefällig? Im nur rund 40 Kilometer weiter südlich von Baden-Baden gelegenen Wolfach waren es gerade einmal 2,0 Grad im Minimum und damit um mehr als 15 Grad (eigentlich Kelvin K für Temperaturdifferenzen) frischer. Noch etwas weiter nach Süden und Osten hin gab es stellenweise sogar leichten Frost bis -2,0 Grad wie beispielsweise in Wutöschingen am Hochrhein.

Wie kommen nun diese großen Unterschiede auf so engem Raum zustande? Spielen Wetterfronten wie in diesem Falle keine Rolle, geht dies in der Regel nicht ohne ein stark gegliedertes Gelände. Während über den flachen Regionen und die Mittelgebirgskuppen Frankreichs, Benelux und Westdeutschlands der kräftige Wind aus Süd bis Südwest mit milder Luft (die ursprünglich aus Marokko stammt) hinwegfegt, stellt sich weiter östlich der Alpenbogen mit seinen Gipfeln mit teils weit über 4000 Metern entgegen. Über diesen sowie in höher gelegenen Tälern herrscht Südföhn mit ebenfalls milden Temperaturen. So sank das Thermometer in der vergangenen Nacht in Vaduz/Lichtenstein nicht unter 13 Grad, auf der Zugspitze in knapp 3000 m waren es gerade mal -0,2 Grad.


Verlauf von Wind und Temperatur aus ICON-D2 Modell für So, 24.11.2024 18 UTC bis Mo, 25.11.2024 06 UTC (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)
Verlauf von Wind und Temperatur aus ICON-D2 Modell für So, 24.11.2024 18 UTC bis Mo, 25.11.2024 06 UTC (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)



Die Flussniederungen Bayerns und Baden-Württembergs entsprechen aber nun ausgeprägten "Kessellagen", die von Alpen, Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Bayerischem Wald, weiter nördlich auch durch die etwas weniger hohen Odenwald, Rhön, Thüringer Wald und Fichtelgebirge schützend ummantelt sind. In der dunklen Jahreszeit kühlen die bodennahen Luftschichten durch die langwellige Ausstrahlung stark ab. Wie passend, dass es vergangene Nacht insbesondere im beschriebenen Gebiet mit den teils frostigen Temperaturen weitgehend sternenklar und windschwach war, die Ausstrahlungsbedingungen somit ideal.

Kalte Luft hat eine höhere Dichte als warme Luft und sammelt sich in Tälern und Senken an. Die derart anwachsende Inversion (Temperaturzunahme mit der Höhe) erreichte heute Morgen am Münchner Flughafen (siehe Bild 2) beispielsweise eine Ausprägung, wie man sie nicht alle Tage beobachtet: -2,0 Grad am Boden auf rund 450 m über Meeresniveau stand ein Anstieg auf 13,1 Grad in 950 m gegenüber. Das entspricht in etwa 3 Grad Temperaturanstieg pro 100 Meter. Zum Vergleich: Normalerweise nimmt die Temperatur im Mittel eher mit 0,65 Grad pro 100 Meter Höhenunterschied ab!


Temperaturprofil am Münchner Flughafen vom 25.11.2024 um 06:52 Uhr Ortszeit aus AMDAR (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)
Temperaturprofil am Münchner Flughafen vom 25.11.2024 um 06:52 Uhr Ortszeit aus AMDAR (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)



Unterhalb der Inversionsschicht findet nun keinerlei Austausch statt (stabile Schichtung). Es sei denn, man liegt direkt unmittelbar im Lee (in diesem Fall also auf der Nordseite der Gebirge) und ist im besten Fall von der Höhenlage auch nicht weit weg von der Inversionsgrenze mit der wärmsten Schicht und den stärksten Winden. Durch die Überströmung des Hindernisses angeregte Leewellen bringen - physikalisch gesprochen - durch Impuls- und Energietransport die Wärme aus höheren Luftschichten in die direkt darunterliegenden. Durch das Absinken erwärmt sich die Luft mit 13 Grad in 900 m um rund 1 Grad pro 100 Meter (trockenadiabatisch) auf knapp 20 Grad im 240 m hoch gelegenen Baden-Baden. Mehr geht quasi nicht! Auf dem Weg von Baden-Baden nach Wutöschingen hätte man also fast im T-Shirt starten können, sich dann aber beim Ausstieg rasch die Winterjacke umschnallen müssen.



© Deutscher Wetterdienst