15. Mai 2012 |
Meteorologische Singularitäten, Teil 1
Dass die Eisheiligen in diesem Jahr ihrem Namen alle Ehre gemacht
haben, darüber berichteten in den vergangenen Tagen meine Kollegen im
Thema des Tages. So lagen die Tiefstwerte in der Nacht zum heutigen
Dienstag teils erneut unter dem Gefrierpunkt. Spitzenreiter waren:
Deutschneudorf-Brüderwiese mit -2,5 Grad
Reit im Winkl mit -1,9 Grad
Wendelstein mit -1,7 Grad
Die Eisheiligen stellen eine Singularität dar. Dieser Begriff leitet
sich vom lateinischen Wort "singularis" - "einzigartig" - ab und
bezeichnet in der Meteorologie sogenannte Witterungsregelfälle. Der
deutsche Meteorologe August Schmauß führte den Begriff der
Singularität in den 1920er Jahren ein. Dabei handelt es sich um
Wetterlagen, die zu einer bestimmten Zeit im Jahr mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit auftreten und für eine markante Abweichung der
Wetterelemente von einer glatten Durchschnittskurve sorgen.
Als typische Beispiele für meteorologische Singularitäten seien hier
der Märzwinter, die Eisheiligen, Schafskälte, Hundstage, der
Altweiber- und Martinisommer sowie das Weihnachtstauwetter genannt,
auf die nach und nach im Thema des Tages eingegangen werden soll.
Dass diese Erscheinungen so regelmäßig auftreten, liegt im zyklischen
Verlauf des Sonnenstandes und den damit verbundenen
Temperaturänderungen und Großwetterlagen begründet. Aufgrund der
Schwankungsbreite ihres Eintretens (hier spielt auch der Zufall eine
Rolle) und der Tatsache, dass sie nicht jedes Jahr beobachtet werden
können, eignen sie sich nicht für die Wettervorhersage. Trotzdem
geben sie wertvolle Hinweise auf den durchschnittlichen jährlichen
Witterungsverlauf.
Der Märzwinter
Bevor wir am heutigen Tag der "Kalten Sophie" auf die Eisheiligen zu
sprechen kommen, sei hier noch kurz auf den Märzwinter eingegangen.
Dieser zeigte sich in diesem Jahr mehr als ein "Märzwinterchen", war
es doch im Deutschlandmittel 2,6 Grad wärmer als der
durchschnittliche März der Vergleichsperiode 1981 bis 2010.
Ursache für den Märzwinter ist in den meisten Fällen von Nordosten
eindringende sehr kalte und trockene Polarluft. Dieser
Spätwintereinbruch tritt in der Regel um die Mitte des Monats März
mit frostigen Temperaturen auf, besonders dann, wenn es in den
letzten Wintermonaten mild war.
Gefürchtet ist der Märzwinter in der Landwirtschaft, hier vor allem
im Obstbau. Wenn es im Zeitraum vor dieser meteorologischen
Singularität recht warm war, ist die Natur bereits auf den Frühling
eingestellt. So werden durch den Frost die Obstbäume in ihrer Blüte
getroffen, was zu schweren Ernteverlusten führen kann.
Die Eisheiligen
Heute endet mit "Sophie" eine weitere "kalte Singularität": die
Eisheiligen. Dabei handelt es sich um - je nach Region drei bis fünf
- Gedenktage von Wetterheiligen. Namentlich sind das Mamertus am 11.,
Pankratius am 12., Servatius am 13., Bonifatius am 14. und
schließlich Sophie am 15. Mai, allesamt Bischöfe und Märtyrer aus
frühchristlicher Zeit.
Jahrhundertealte Erfahrungen und Beobachtungen von Bauern gehen davon
aus, dass das milde Frühlingswetter erst nach Ablauf der "Kalten
Sophie" stabil wird. Diese Annahmen lassen sich aber heutzutage nicht
mehr ohne Einschränkung bestätigen. Durch eine Reform, die erst im
18. Jahrhundert flächendeckend in Mitteleuropa durchgeführt wurde,
verschob sich der Kalender um 11 Tage. Dabei wurden aber die
Gedenktage der Heiligen nicht angepasst, wodurch Mamertus und Co.
somit eigentlich erst in der zweiten Maidekade auftreten.
Wetterstatistisch gesehen sind tatsächlich die Tage mit Kaltluft
bringender Nord-/Nordostlage meist erst kurz nach dem 20. Mai
anzutreffen.
Treten die Eisheiligen ein, so ist deren Ursache, dass sich das
europäische Festland im Mai stärker erwärmt als der Atlantik. Im
Übergangsbereich zwischen Warmluft über dem Land und Kaltluft über
dem Meer bilden sich Tiefdruckgebiete. Diese führen an ihrer
Westseite polare Luftmassen nach Mitteleuropa, die in klaren Nächten
für Nachtfröste sorgen können.
Eine Bauernregel besagt: "Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis
Sophie vorüber ist.". Diese Aussage trifft für die nächsten zwei
Nächte zumindest für tiefe Lagen zu. Im Bergland muss aber weiterhin
mit leichtem Frost gerechnet werden. In der Nacht zum Donnerstag kann
es dann bei Aufklaren auch wieder im Tiefland frostig werden.
Frostempfindliche Pflanzen sollten also doch noch ein Weilchen im
Haus gelassen werden.
Auch tagsüber ist mit den Höchsttemperaturen in den nächsten Tagen
kein Blumentopf zu gewinnen. Erreichen wir am heutigen Dienstag
zumindest im Osten noch Werte nahe 20 Grad, so sind es morgen im
Bundesgebiet nur 8 bis 14 Grad. Am Himmelsfahrtstag wird es mit 17
Grad am Oberrhein am wärmsten, sonst ist nur mit Werten zwischen 10
und 15 Grad zu rechnen. Es wird also ein recht kühler, aber doch
meist freundlicher Feiertag.
M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.05.2012
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
© Deutscher Wetterdienst
Bild: Wikipedia
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