Facebook Twitter
Drucken
16. Oktober 2012 |

Die Gewittersaison im Mittelmeerraum

Blitze der letzten 24 h
Blitze der letzten 24 h


Während bei uns im Sommer die Hauptgewittersaison ist, sieht es im
Mittelmeerraum ganz anders aus. Dort haben Gewitter nämlich im Herbst
und zum Teil auch im Winter ihren Höhepunkt. Wie kann das sein,
werden Sie sich sicherlich fragen. Das wird nun im heutigen Thema des
Tages etwas näher erklärt.

In Europa bilden sich im Sommer über dem europäischen Festland häufig
Gewitter. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass zu dieser Zeit
die für deren Entstehung notwendigen Zutaten häufig zusammenkommen.
Man benötigt: 1. eine stark mit der Höhe abnehmende Temperatur
(großer vertikaler Temperaturgradient), 2. Feuchtigkeit und 3.
Hebung.

Die Feuchtigkeit wird oftmals aus den Seegebieten wie dem Mittelmeer
oder dem Atlantik zu uns transportiert. Bei der Temperaturabnahme
muss man sich vor Augen halten, dass sich das Festland im Sommer sehr
stark erwärmen kann. Das funktioniert am besten über der Iberischen
Halbinsel. Durch diese starke Erhitzung in Bodennähe ergibt sich ein
deutlicher Temperaturunterschied zu höheren Schichten. Die Luftmassen
mit dieser Charakteristik werden dann über Frankreich zu uns
transportiert. Für Hebung sorgen in der Regel Fronten, Berge oder
auch bodennah zusammenströmende Luftmassen. Dort, wo alles
zusammenkommt, knallt es, und das klappt eben am besten im Sommer.

Diese Zusammenfassung ist natürlich recht grob und allgemein, sie
erklärt aber am besten, weshalb die Hauptsaison der Gewitter bei uns
gerade im Sommer stattfindet.

Jetzt im Herbst und Winter kann sich das europäische Festland lange
nicht mehr so kräftig erwärmen. Auch ist der Gehalt an absoluter
Feuchte in den bereits deutlich kühleren Luftmassen lange nicht mehr
so hoch. Das ist immer noch ausreichend, um unter bestimmten
Bedingungen Gewitter auszulösen. Diese sind aber in der Regel nicht
mehr so heftig und kommen seltener vor, als im Sommer.

Anders sieht es im Mittelmeerraum aus. Dort ist bedingt durch das
Wasser sehr viel Feuchte in der Luft vorhanden. Im Sommer besteht das
Problem, dass der Mittelmeerraum häufig unter Hochdruckeinfluss
liegt. Damit fehlt es nicht nur an der Zutat Hebung. Auch die
vertikalen Temperaturgradienten sind nur gering. Gewitter in
Südeuropa finden im Sommer daher häufig über dem Festland statt,
meist ausgelöst durch Hebung an den Bergen.

Im Herbst und Winter nehmen Tiefdruckaktivität und damit
Hebungsprozesse im Mittelmeerraum deutlich zu. Grund dafür sind immer
weiter und häufiger nach Süden vorstoßende kalte Luftmassen. Diese
sorgen zudem für einen deutlichen vertikalen Temperaturunterschied
zwischen den vor allem im Herbst noch sehr warmen Wasser und der
herangeführten Höhenkaltluft. Die Folge sind häufig heftige Gewitter,
die aufgrund des hohen Feuchtegehaltes zum Teil sinnflutartige
Regenfälle bringen können. Letzteres passiert vor allem bei nur
schwachen Winden. Dann können Gewitter an ein und derselben Stelle
immer wieder vom Meer aufs Festland ziehen und die Niederschläge zum
Teil an den Bergen gestaut werden.

Auch gestern und in der Nacht auf Dienstag gab es einen solchen
Kaltluftvorstoß in den Mittelmeerraum. So zogen von Sardinien über
Tunesien und Sizilien bis in die Adria teils heftige Gewitter. Zur
Vorstellung: Das Wasser hat in diesem Gebiet eine Temperatur von 23
bis 25 Grad. Auf 5000 m Höhe in der Atmosphäre lagen die Werte
hingegen zwischen -12 und -24 Grad. Für kräftige Hebung hat ein
Gebiet gesorgt, bei dem südöstliche und südwestliche Winde
zusammentreffen. (Konvergenzline). Die somit zusammenströmenden
Luftmassen müssen nun irgendwo hin und steigen daher auf. Diese
Konvergenzlinie wanderte bis heute Morgen langsam ostwärts. Ein
kräftiger Höhenwind hat außerdem mitgeholfen, dass die an dieser
Linie entstehenden Gewitter so heftig ausfallen konnten.

Heute nun bewegt sich das Hauptaktivitätsfeld weiter nach Osten,
sodass das östliche Mittelmeer und der Balkan betroffen sind. Aber
das war erst der Auftakt der Gewittersaison und die
Mittelmeerbewohner werden sicherlich noch so Einiges zu überstehen
haben.

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.10.2012



Copyright (c) Deutscher Wetterdienst



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD