29. Dezember 2012 | M.Sc. Met. Stefan Bach
Die Asymmetrie des Sonnenauf- und -untergangs
Der kürzeste Tag des Jahres fällt in Deutschland auf den Tag der
Wintersonnenwende, das heißt den 21. oder 22. Dezember, während der
längste Tag auf die Sommersonnenwende, also für gewöhnlich den 21.
Juni, fällt. Würden wir im Norden Skandinaviens leben, würde uns das
gar nicht auffallen, denn dort gibt es in bestimmten
Jahresabschnitten Polarnacht und Polartag, in denen die Sonne nie
auf- bzw. untergeht. In Deutschland hingegen liegt die astronomisch
mögliche Sonnenscheindauer am 21. Dezember zwischen 7,2 Stunden an
der dänischen Grenze und 8,5 Stunden im äußersten Süden. Eine
Orientierung, wie lang die Sonne bei Ihnen zum Winteranfang scheinen
kann, erhalten Sie in der folgenden Grafik.
Dem aufmerksamen Beobachter ist vielleicht aufgefallen, dass der
zeitigste Sonnenuntergang nicht am 21. Dezember, sondern bereits um
die Mitte des Monats eintritt. Auf der anderen Seite tritt der
späteste Sonnenaufgang auch erst einige Tage nach der
Wintersonnenwende ein, beispielsweise in Norddeutschland etwa am
heutigen 29. Dezember, im Süden sogar noch später. Eine analoge
Asymmetrie gibt es auch um die Sommersonnenwende herum. Woher kommt
aber diese Asymmetrie, deren Effekt von Süd nach Nord abnimmt?
Die Erklärung liegt darin, dass die scheinbare Bewegung der Sonne
über den Himmel nicht mit gleichmäßiger Geschwindigkeit geschieht.
Das hat zwei Ursachen: Johannes Kepler (1571-1630) entdeckte, dass
sich die Planeten auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen. Das
trifft natürlich auch auf unsere Erde zu. Die Sonne steht in einem
der beiden Brennpunkte der Ellipse, wobei die Erde in Sonnennähe eine
größere Bahngeschwindigkeit hat. Die zweite Ursache ist die gegenüber
der Bahnebene geneigte Erdachse.
Wenn man nun jeden Tag zur selben Zeit die Position der Sonne
beobachtet (also beispielsweise fotografiert), wird man zunächst
vermuten, dass die Sonne zur gegebenen Zeit immer in der gleichen
Himmelsrichtung steht - lediglich nur höher am Horizont im Sommer und
niedriger im Winter (die Jahreszeiten entstehen übrigens auch durch
die um 23,44 Grad geneigte Erdachse). Schaut man aber ganz genau hin,
so stellt man fest, dass auch die Himmelsrichtung ein wenig variiert.
Legt man alle Fotos in einem Bildbearbeitungsprogramm übereinander,
so erhält man das sogenannte Analemma, welches alle Sonnenbilder in
Form einer lang gestreckten Acht verbindet.
Bestimmt man die Zeit mit einer Sonnenuhr, so tut man dies über den
Schattenwurf eines Stabes auf eine Skala. Diese Zeit wird Sonnenzeit
genannt. Wenn die Sonne genau im Süden steht, sollte die wahre
Sonnenzeit genau 12 Uhr sein, sofern die Sonnenuhr richtig
ausgerichtet ist.
Wenn man nun an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit einer exakten
(mechanischen) Uhr die Zeit bestimmt, zu der die Sonne genau im Süden
steht (ein sogenannter wahrer Sonnentag), so wird man feststellen,
dass dieser Zeitraum in der Regel leicht von den bekannten 24 Stunden
abweicht. Gemittelt über ein Jahr erhält man aber eben diese 24
Stunden, welche mittlere Sonnenzeit genannt werden.
Diese Abweichung zwischen wahrer und mittlerer Sonnenzeit basiert
ebenfalls auf der ungleichmäßigen scheinbaren Bewegung der Sonne über
den Himmel und beträgt von einem Tag zum nächsten zwischen wenigen
Sekunden und knapp einer halben Minute. Im Laufe der Zeit summieren
sich diese Sekunden auf und werden nach einigen Wochen zu mehreren
Minuten, bevor sich das Vorzeichen bei der Aufaddierung umdreht, die
Minuten also subtrahiert werden. Die Sonne läuft im November
scheinbar eine gute Viertelstunde voraus, während sie im Januar und
Februar eine knappe Viertelstunde zurückliegt. Im Dezember geschieht
der Übergang von einer "frühen" in eine "späte" Sonne.
Das führt dazu, dass sowohl Sonnenauf- als auch -untergang vor der
Wintersonnenwende am 21. Dezember ein wenig zeitiger stattfinden, als
es über die mittlere Sonnenzeit geschehen würde, was uns wieder zur
Asymmetrie des Sonnenauf- und -untergangs führt.
In der heutigen technisierten Gesellschaft richtet man sich nicht
mehr direkt an der Sonne aus. Das wäre auch gar nicht möglich, denn
sonst würde es große Probleme, beispielsweise bei der Einhaltung von
Zugfahrplänen, geben. Im Jahre 1884 einigte man sich darauf, die auf
dem durch das englische Greenwich verlaufenen Meridian gültige Zeit
als Weltzeit zu nehmen. Die Welt wurde so geteilt, dass alle 15
Längengrade, die man von Greenwich nach Osten bzw. Westen fährt, zur
Greenwich-Zeit eine Stunde addiert bzw. subtrahiert wird. Die in
Greenwich gültige Zeit wird heutzutage auch Universal Time
Coordinated (kurz: UTC) genannt. Diese beinhaltet auch sogenannte
Schaltsekunden, die eine Kopplung an den astronomischen Tag
vornehmen, da der Schalttag, der alle vier Jahre am 29. Februar
stattfindet, nicht genau die Abweichung bei der Dauer eines Jahres
kompensieren kann. Die letzte Schaltsekunde wurde in der Nacht zum 1.
Januar 2009 um 23:59:59 Uhr UTC eingefügt.
Die Angabe von Zeiten in UTC ist übrigens auch in der Meteorologie
sehr nützlich, da man so einheitlich zu den synoptischen
Hauptterminen um 00, 06, 12 und 18 Uhr UTC unabhängig von der
jeweiligen Ortszeit ein Abbild des Zustands der gesamten
Erdatmosphäre erhält.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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